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Dokument: Saarbrücker Zeitung (SZ) 7.10.2011

"Big Trouble im Nauwieser Viertel"

Von SZ-Redakteur Martin (Lucien) Rolshausen

Saarbrücken. Was da abgeht, muss Landeier aus Bliesmengen-Bolchen einfach verunsichern - wie es wohl jeden und jede mehr oder weniger verunsichert, der oder die nicht daheim ist in "des Saarlands wichtigstem Stadtviertel". Das ist das Nauwieser Viertel zumindest für Joachim Puma Schmitt. Er hat zusammen mit Bernd Rausch ein Büchlein mit vier Geschichten aus diesem Viertel vorgelegt. Streifzüge durchs Saarbrücker Chinesenviertel mit "den Tollen und den Vollen", wie die Autoren sagen.

Einen "Schlüsselroman" nennt der ehemalige Nauwieser-Viertel-Stadtteilautor Hans Gerhard das 128 Seiten dicke, im handlichen DIN-A6-Format gedruckte Büchlein. Einen Roman eben, in dem die Figuren verschlüsselt sind - manche fast bis zur Unkenntlichkeit. Mal abgesehen von der Oberbürgermeisterin, die die Autoren bei einer Straßenschlacht im Viertel wie einst Jo Leinen bei einer Demonstration auf einen Container steigen und revolutionäre Reden halten lassen.

"Das ist die Höll", entfährt es zwei Frauen vom Land, aus Bliesmengen-Bolchen eben, die die Viertel-Poeten durch ihre Geschichte irren lassen. Die Viertel-Olympiade, die Voyeuer-Cup-Nostalgie, die vielen Kneipen mit ihren vielen Gestalten - das überfordert die Damen gewaltig.

"Wir behandeln einige Arten von euren Ekstasen. Dazu Räusche und Gebräuche im Jetzt, im Morgen und auch von früher", erklärt Puma Schmitt den Viertel-Bewohnern das, was er und Bernd Rausch da zusammengeschrieben haben. Denn: "Nauwies verpflichtet!"

Dazu gehört auch der Versuch, den Begriff "Chinesenviertel" zu erklären. Chinesenviertel? Die Landeier sind entsetzt: "In China essen sie Hunde."


Beitrag vom: 07.10.2011, 00:06

Grußwort von Charlotte Britz, Oberbürgermeisterin der Stadt Saarbrücken

Liebe Freundinnen und Freunde des gedruckten Wortes. Saarbrücken hat eine sehr lebendige Literaturszene. Neuerscheinungen von regionalen Büchern sind keine Seltenheit im Saarland, aber vor allem nicht in der Landeshauptstadt Saarbrücken. Viel Kreativität und Innovation ist in der hiesigen Literaturszene vorhanden.

Bei allen digitalen Möglichkeiten des Internets behält das gedruckte Buch immer noch seine hohe Attraktivität. Dieses Buch, das Sie in Händen halten, ist ein lebendiger Beweis, es enthält Geschichten aus einem der lebendigsten Viertel der Stadt, dem Saarbrücker Chinesenviertel (Nauwieserviertel). Es ist ein Buch mit Geschichten aus dem und über das Nauwieserviertel. Im Nauwieserviertel treffen Menschen und ihre Kulturen aus allen Teilen der Welt aufeinander. Gerade lesen öffnet Türen und bringt die Menschen zueinander.

Wer immer schon wissen wollte, warum das Nauwieserviertel auch Chinesenviertel genannt wird oder was den Reiz des alternativen Fußballturniers Voyeur Cup ausmacht, wird mit erhellenden Geschichten konfrontiert. Ein anderer Schwerpunkt der Erzählungen umkreist die Kneipenwelt und das Seemannsgarn, das darin gesponnen wird. Vom Maler Otto Lackemacher über den Bingert Wirt Jupp bis zu Kai Po, dem Chinesen und dem DJ Juri begegnen sie vielen skurrilen Gestalten aus den letzten 35 Jahren.

Als Oberbürgermeisterin der Stadt Saarbrücken freue ich mich dieses schräge, witzige Stück Literatur willkommen zu heißen.

Ich wünsche allen viel Freude und Erleben beim Lesen.

Meinungen: - Das Buch: BIG TROUBLE im Nauwieser Viertel - Streifzüge durch einen berühmten Stadtteil mit den Tollen und den Vollen. Von Joachim Schmitt & Bernd Rausch Kontakt

aus Saarkurier und Stadtzeitung Saarbrücken
Das Ohr ganz fest am Herz des Nauwieser Viertels in Saarbrücken

Erinnerungsleistung der anmutigen Art – Das Buch sehnt sich danach gezeichnet und verfilmt zu werden

Buchvorstellung von Stefan Gleser

Alle schreien nach Deckelschulden, sind dann aber mucksmäuschenstill: Denn hier kommt mit „Big Trouble im Nauwieserviertel“ das endgültige Grosswerk über zehenspitzblonde Schwedinnen, Petersilie, Linke, Bier, Maler, eine dem Espresso weichend müssende Thermoskanne, abgefüllte Aschenbecher, mehr Bier und chinesische Kabelträger. Hat die deutsche Linke mit all ihren Flausen, Flops und Fisimatenten wirklich ein solches Buch verdient? Dass man sich in einer solch verspielten und mitfühlenden Weise ihrer annimmt, wo doch vieles dafür spricht, sie zu verfluchen? Ja, trotz alledem haben Joachim Schmitt und Bernd Rausch gesagt und notiert, was sie in den letzten Jahrzehnten im Nauwieser Viertel in Saarbrücken gesehen und gehört haben.

Mein erster Eindruck: Zu der Zeit, als die Welt noch unberührt war von Premium, Event und Design, schien die Sonne gütiger. Mit welch ausgesuchter Höflichkeit, mit welch erlesener Noblesse werden die beiden „zerbrechlich wirkenden“ älteren Grazien vom Lande behütet, die sich in die grosse Stadt verirrt haben. „Es hat nur der gewöhnliche Stuck, der von der Decke rieselt, ihr Haar so weiß gefärbt“, beruhig der Dichter Marco H. im erwählten Tonfall die beiden Frauen. Man merkt, Eliteschnösel mit Markenklamotten wären damals als unbegreifliche Wesen „ausgelacht worden“. Big Trouble hebt Elemente der „utopischen Lebensfreude“ für uns auf.

Einst bedeckte der sanfte Honigschleim der Bohème das Nauwieser Viertel. Hier galt die rasante, ja inngeniöse (INN= Englisch= Gaststätte, danke Joyce) Nachdenklichkeit, die keinen Cent einbringt, als Basis für Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung: „Sie hatten Jobs gefunden, die ihnen viel Muße ließen, und waren mit jener munteren Geselligkeit beseelt, die andere mit einer Soße aus Frotzeleien, Sticheleien und Albernheiten übergoss.“ Es waren Gäste, die zu einem alten Schnaps oder einem neuen Wortspielen wie „Vorhaut“ statt „Vorhut“ und „Prothese“ statt „Antithese“ einfach nicht nein sagen konnten.

Romane, die gern an der Theke stehen und einen heben, lauschen mit Vorliebe den Sprachschattierungen, den durch dumpfe Wiederholung abgeschliffenen Erkenntnissen, dem erleuchteten Lallen, dem Slang und Sound des Gemurmels und sehen das Wirtshaus als Welt im kleinen an. Rausch und Schmitt sagen aber Tschüss zum klassischen Kneipenroman, spendieren Henscheid und Schulz noch ein Bier für die Anregungen und stürzen sich auf die überbordende Groteske und den tolldreisten Comic.

Das Buch sehnt sich danach gezeichnet und verfilmt zu werden: Wilde, überraschende Blickwinkel, möglichst viel Bewegung wie Fussball und Balgerei, zahlreiche Miniaturszenen, Ausflüge in die nahe Kirche und ins ferne Shanghai, die Würdigung des Malers Otto Lackemacher, das sind alles visuelle Elemente, um der Enge der Sprache zu entkommen. Es schmuggelt sich sogar ein Film ins Buch ein. Dem Regisseur Twen von Herbstlich und sein Kameramann Arturo Lui vom saarländischen Rundfunk bannen die Rauferei zwischen Bullen und Eingeborenen des Nauwieser Viertels und die Verehrungsorgie für Kamerad Tabakblatt auf Zelluloid ein.

Eine Lesung wird als Kneipenschlägerei wiedergeboren, und weil so brav geprügelt wurde, darf sie als Strassenschlacht erneut Inkarnation feiern. Eine weitere Steigerung verhindert die Oberbürgermeisterin, die als klassische Versöhnlerin wirkt und obendrein im Vorwort forsch betont: „Gerade lesen öffnet Türen…“. Also ich hab´s ausprobiert. Nach vier Stunden war ich von sozialdemokratischen Ratschlägen enttäuscht und wandte mich wieder der konventionellen Methode zu: Die Klinke niederdrücken.

Der Abschied vom herkömmlichen Kneipenroman hat allerdings nicht nur künstlerische Gründe. Es liegt versteckt in der Formulierung „örtliches Bier“. Regionales Bier, aus der nächsten Brauerei, konnte früher zu Hochform auflaufen und behaupten, es gebe kurze und berauschte, göttliche und klassenlose Momente am Tresen. Bier hat sich aber angepasst und fügt sich mit der Ware vom Discounter und der Fernsehplörre im wahrsten Sinne des Wortes in die Kastengesellschaft ein.

Die Sympathien der Verfasser gehören dem, der noch ein wenig renitent blieb, kein Adabei war und jetzt zur Strafe im Geldbeutel nachschaut, ob´s noch für einen Schoppen reicht, statt im Parlament von der Kultur der sozialökologischen Nachhaltigkeit zu blödeln.

Ganz ruhig ist es, man könnte einen Bierdeckel fallen hören, im Gasthaus Bingert. Denn ein Mitglied des alten Kollektivs wird zu Grabe getragen. Nur der Disjockey Juri, dessen Eltern zum Inventar der Schenke gehörten, und Wenke, Schwedin und Kellnerin, sind – und hier kommt „Hallo Überraschung“ ein schöner altfränkischer Ausdruck – im „Schankraum“. Juri schaut tief in den „Brunnen der Erinnerung“ und ins Bierglas. Vor leichten Anfällen in die Verklärungssucht schützt ihn Wenke, seine künftige Frau, durch Skepsis. „Du meinst“, sagte Wenke nachdenklich, „so was wie ‚Hartz IV’wäre damals nicht durchzusetzen gewesen?“ „Schon möglich“, antwortete Juri, „’Hartz IV’ klingt irgendwie bedrohlich. Es klingt wie Pershing II.“

Die Theke des Gasthauses Bingert, das überall in der Republik steht, ist der Seziertisch des deutschen Linksintellektuellen. Ob er mit der Mao-Bibel oder dem Manufacturum-Katalog rum rennt, ob er Sachwalter der Latzhose oder des Raucherschutzes in Kabul ist, er tut´s erfolglos aber mit dem gebotenen verbissenen Ernst. Und so ist „Big Trouble“ das mühelos heitere Gegenmittel, wenn unsere Helden wieder irgendwo zwischen Veganbrunch und Regierungsfähigkeit torkeln.

Joachim Schmitt und Bernd Rausch:
Big Trouble im Nauwieser Viertel
Streifzüge durch einen berühmten Stadtteil mit den Tollen und Vollen
128 Seiten, 6,90 Euro
Blattlaus Verlag, Saarbrücken, 2011
ISBN: 978-3-930-771-72-1

128 Seiten (A6) 6,90 Euro. Buch Neuerscheinung Oktober 2011 – Der Roman, der Autoren Schmitt & Rausch ist erhältlich im Chinesenviertel in Saarbrücken

Das Saarbrücker Buch der Bücher liegt bereit bei:

1 Buchladen
2 Bingert (Kneipe)
3 Fleur (Kneipe)
4 Valente Friseur
5 Utopie Kreativ
6 Leseecke - AWO
7 Peace-Kebab
8 Katja, Friseurin
9
Eiscafe - Am Kinderspielplatz

10 Kawumm - St. Joh. Markt
11 La Finka, Neugrabenweg

 

24. Oktober 2011

aus Saarkurier - Saarländische Online Zeitung
Das Saarbrücker Buch der Bücher zieht um die Welt

 

Big Trouble im Nauwieser Viertel - Streifzüge durch einen berühmten Stadtteil mit den Tollen und den Vollen wird in über 3000 Sprachen übersetzt – Bibel nur noch auf Rang zwei

Von Claude Michael Jung

„Die ersten Bibelübersetzungen entstanden im Judentum seit 250 v. Chr. noch vor dem Abschluss des Tanach. Ende 2011 gab es 2696 Sprachen, in die die Bibel oder Teile davon übersetzt waren: Gesamtübersetzungen in 471 Sprachen, vollständig übersetzte Neue Testamente in 1223 Sprachen und Teilübersetzungen in weitere 1002 Sprachen. Damit ist die Bibel das am weitesten verbreitete und auch das am häufigsten übersetzte Buch der Welt.“ So ist es bei Wikipedia nachzulesen. Doch das wird sich in den kommenden Monaten ändern. Wie die Autoren Bernd Rausch und Joachim Schmidt am vergangenen Samstag im Saarbrücker Gasthaus Bingert bekannt
gaben, kommt von ihrem Werk „Big Trouble im Nauwieser Viertel“ nicht nur in Kürze die dritte Auflage in deutscher Sprache in den Handel, sondern es erscheinen auch erstmals Ausgaben in französischer, spanischer, englischer und italienischer Sprache. Auch in Kauderwelsch für Texaner, Saarlouiser, Pfälzer und ähnlich klingende außerirdische Dialekte wird die Geschichte des Nauwieser Viertels in Saarbrücken aufgelegt. Die Druckmaschinen im Saarbrücker Blattlaus- Verlag laufen derzeit rund um die Uhr. An sieben Tagen in der Woche wird im Dreischichten-System geackert. Drucker und Helfer können eine saftige Prämie erwarten, so die stolze Verlagsleitung.

Der Volkswagenkonzern wird allen Neufahrzeugen ab sofort eine Ausgabe des Buches der Betriebsanleitung beifügen, um im Pannenfall seine Kunden bei Laune zu halten. Andere Automobilkonzerne aus Japan, China, Frankreich, Italien, Spanien und Korea wollen folgen. Die deutsche Bahn beabsichtigt, das Saarbrücker Buch der Bücher in ihren Regional- und ICE-Zügen auszulegen, zur Überbrückung von Verspätungen, wie es heißt.
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat weltweit seinen
Mitgliedern empfohlen, das Buch der Bücher zur Vorbereitung auf die
Weltrevolution zu studieren. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die beiden Autoren zu einer Lesung vor dem Deutschen Bundestag eingeladen, und um die saarländische Mentalität besser kapieren zu können, hat Neu-Bundespräsident Joachim Gauck angekündigt „Big Trouble im Nauwieser Viertel“ unter der Bettdecke lesen zu wollen.

Gleich eine ganze Güterzugladung des einzigartigen Werks von Bernd Rausch und Joachim Schmidt geht in diesen Tagen an den Vatikan. Die Sonderausgabe in lateinischer Sprache im Ledereinband und mit Goldrand soll zu Pfingsten von allen katholischen Kanzeln der Welt den Gläubigen auf den fünf Kontinenten zu Gehör gebracht werden. 20 Millionen Exemplare hat derweil Russlands Präsident Vladimir Putin für sein Volk geordert und bereits mit purem Gold und gratis Erdgaslieferungen für das Nauwieser Viertel bezahlt. Uff de Nauwies werden demnächst in kalten Nächten sogar die Straßen und Gassen für die Besucher und Anwohner geheizt werden.


Während erste Filmteams das Nauwieser Viertel nach geeigneten Motiven und Originalen für eine Verfilmung des Meisterwerks durchstreifen, droht aus dem Saarbrücker Ordnungsamt Huddel unn Zores. Die Amtsschimmel verweigern den Veranstaltern des Nauwieser Festes, die ansonsten dreitätige Saus- und Braus-Orgie auf 30 Tage zu verlängern, um den zu erwartenden Besucheransturm in geregelte Bahnen zu lenken. Wie das Nauwieser Zentralkomitee inzwischen bekannt gab, werde man das bekannte Viertelfest eben in eine 30tägige Buchmesse mit Getränkeausschank und Musik umwandeln. Schließlich werde sich auf dem Saarbrücker Ordnungsamt niemand nachsagen lassen wollen, er sei ein Kulturbanause, so ein alteingesesener Nauwieser, der für seine Worte lauten Applaus von zwei netten Damen aus Bliesmengen-Bolchen erhielt.