Ausgang Ausstellung Frankfurt-Auschwitz 27.1.2011 - 23.2.2011 - Paulskirche Frankfurt - Dokumentarische & künstlerische Ausstellung zur Vernichtung der Roma und Sinti
2.2.2011 Aus Frankfurter Allgemeine - Ein Beitrag von Hans Riebsamen

Lager, Sterilisation, Gaskammer

In der NS-Zeit sind Zigeuner in großer Zahl ermordet worden. An ihre weithin vergessenen Leiden wird jetzt in der Paulskirche erinnert.

So gnadenlos wie die Zigeuner sind nur die Juden von den Nationalsozialisten verfolgt worden. Eine halbe Million Sinti, Roma und Angehörige anderer Stämme haben Hitlers Schergen in ihrem Vernichtungsfeldzug gegen "rassisch Minderwertige" umgebracht. Der Schrecken wirkt noch heute nach und offenbar auch die Scham. Die alte deutsche Bezeichnung Zigeuner jedenfalls empfinden viele Mitglieder dieser Stämme als anstößig und diskriminierend. Der Zentralrat der Sinti und Roma unter Romani Rose lehnt ihn gänzlich ab, während die Sinti Allianz Deutschland den Ausdruck Zigeuner als Sammelbegriff weiter für notwendig hält, sofern er neutral verwendet wird.

Vom Blutzoll der Sinti, Roma, Lowara und anderer Zigeunerstämme weiß man in Deutschland wenig - und wollte lange auch wenig wissen. Am Holocaust-Gedenktag am vergangenen Donnerstag beklagte denn auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Parlament, dass es lange Zeit außerhalb des öffentlichen Bewusstseins geblieben sei, in welch schrecklichem Ausmaß das Volk der Zigeuner Opfer der Verfolgung durch das NS-Regime gewesen sei.
Anzeige

Am Tag des Holocaust-Gedenkens ist eine kleine Ausstellung zum Leidensweg der Zigeuner im Untergeschoss der Paulskirche eröffnet werden. Die Schau "Frankfurt - Auschwitz" informiert in knapper Form über den Weg Frankfurter Zigeuner in die Lager und die Gaskammern. Dazu werden ein Dutzend Bildtafeln von Bernd Rausch gezeigt, der die Vernichtung der Zigeuner künstlerisch thematisiert hat.

Frankfurt spielt bei der Verfolgung und Vernichtung der europäischen Zigeuner eine durch und durch unwürdige Rolle, vor dem Krieg und auch später noch. Die Stadtverwaltung wie auch das Polizeipräsidium drängten schon Mitte der dreißiger Jahre auf rechtliche Bestimmungen, die eine Verfolgung dieser Volksgruppe ermöglichen sollten. Anfang 1936 inszenierte die Polizei unter ihrem Präsidenten Heinrich Beckerle, einem verdienten Parteigenossen, eine Hetzkampagne gegen die Zigeuner, die im ganzen Reich Widerhall und Nachahmer fand.

Anderthalb Jahre später richteten die Frankfurter Behörden an der Dieselstraße ein Lager ein, das 1942 an die Kruppstraße verlegt wurde. Und schon im August 1937 wurden die ersten Häftlinge - 55 Roma und Sinti - ins Lager Dieselstraße eingewiesen. 1941 waren dort 160 Internierte zusammengepfercht. Es gab Zwangssterilisierungen und erste Transporte nach Polen. Im Dezember 1942 ordnete SS-Reichsführer Heinrich Himmler die Deportation der Zigeuner nach Auschwitz an.

Dort, so berichtete Hermann Langbein, der österreichische Widerstandskämpfer und Mitbegründer des Internationalen Auschwitz-Komitees im Jahr 1954, gab es nichts Elenderes als den Zigeunerblock. Der wohl schlimmste Tag für die Häftlinge dort war der 2. August 1944: Fast 3000 von ihnen wurden in der Nacht auf den 3. August vergast. Aus Frankfurt wurden zwischen 300 und 400 Zigeuner verfolgt, knapp 100 tauchen auf den Auschwitz-Listen auf.

Die ideologischen Grundlagen für die Verfolgung der Zigeuner wurden im Frankfurter Universitätsinstitut für Erbbiologie und Rassenhygiene des Otmar Freiherr von Verschuer gelegt. Schüler dieses "Rasseforschers" waren maßgeblich am Völkermord an den Zigeunern beteiligt. Robert Ritter etwa leitete von 1936 an die "Rassenhygienische Forschungsstelle" in Berlin, auf deren Untersuchungen und Gutachten hin fast 22 000 deutsche Zigeuner verfolgt wurden. Ritters Kollegin Eva Justin war für die Erfassung der Zigeuner in Süd- und Mitteldeutschland verantwortlich. Beide, Ritter und Justin, traten nach dem Krieg als Mitarbeiter ins Frankfurter Stadtgesundheitsamt ein, Verfahren gegen sie wurden eingestellt.

Diese Verstocktheit hat bis in die jüngere Vergangenheit angehalten. Forderungen des Fördervereins Roma beziehungsweise seiner Vorgängerorganisation, am Stadtgesundheitsamt mit einer Gedenktafel an das Verbrechen an den Zigeunern zu erinnern, stießen lange auf taube Ohren. Erst vor zehn Jahren wurde eine solche Tafel schließlich installiert. Viele der überlebenden Opfer mussten bis ins hohe Alter auf die Anerkennung ihrer Leiden warten - und auf eine Entschädigung.

Romni Maria Weiss etwa, die nach dem Krieg mit ihrem Mann nach Frankfurt zog, durfte als Kind erst nicht mehr in die Schule gehen, wurde dann in einem Hamburger Sammellager interniert, dann ins Warschauer Getto verbracht, kam nach einer kurzen Flucht in ein Lager bei Lublin, daraufhin ins KZ Ravensbrück und landete am Ende in Bergen-Belsen, wo sie schließlich von der britischen Armee befreit wurde. Sie hat viele Schläge ertragen müssen, hat im Winter eine Weile in einem mit Wasser gefüllten Stehbunker verbringen müssen, hat alle Familienangehörigen verloren. Im Jahr 1956 erhielt sie für die Haft in Bergen-Belsen eine Entschädigung in Höhe von 2400 Mark, später noch einmal 1350 Mark für Ravensbrück. Die vorherige Verfolgung aber wurde nicht als Verfolgung anerkannt. Erst im Alter erhielt sie im Rahmen der Zwangsarbeiter-Entschädigung 10 000 Euro vom Siemens-Konzern - denn auch bei den Entschädigungszahlungen galt: Von den Ansprüchen der Zigeuner wollte man lange nichts wissen.

Die Ausstellung "Frankfurt - Auschwitz" ist bis zum 23. Februar täglich von 10 bis 17 Uhr in der Paulskirche zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Der Beitrag erschien auch in FAZ.NET