![]() |
||||||||
Ausgang | ||||||||
Revolution
und Frankfurter Nationalversammlung 1848/1849 Wirtschaftliche Krisen, Massenarmut und allgemeine politische Unzufriedenheit
destabilisierten seit Beginn der 1840er Jahre die soziale und politische
Ordnung in zahlreichen europäischen Staaten und mündeten 1848
schließlich in eine ganz Europa erfassende revolutionäre Welle.
Auch in Deutschland wurden auf Versammlungen und Demonstrationen die Gewährung
von Grund- und Freiheitsrechten und nationale Einheit gefordert. Unter
dem Eindruck der revolutionären Dynamik gaben die restaurativen Kräfte
schließlich ihren Widerstand auf und machten der von breiten Schichten
getragenen Bewegung wesentliche Zugeständnisse: Die Zensur wurde
aufgehoben, politische Aktivitäten zugelassen und reformbereite Regierungen
ernannt. Auch der Einberufung einer Nationalversammlung, die die Errichtung
eines deutschen Nationalstaats in die Wege leiten sollte, stimmten die
Machthaber in den deutschen Einzelstaaten zu. Ende März 1848 entschied das aus Landtagsabgeordneten und führenden Vertretern der liberalen und demokratischen Opposition zusammengesetzte Vorparlament, die Mitglieder der Deutsche Nationalversammlung nach einem allgemeinen und gleichen Mehrheitswahlrecht von volljährigen, "selbständigen" Männern wählen zu lassen. Die Durchführung der Wahlen oblag den Einzelstaaten und wurde höchst unterschiedlich gehandhabt. Die gesetzliche Mitgliederzahl des Paulskirchenparlaments betrug 649 Abgeordnete; aufgrund von Wahlboykotten gab es aber nur 587 reguläre Parlamentarier. Einschließlich aller Stellvertreter bzw. nachrückenden Abgeordneten haben bis zur Auflösung des so genannten Stuttgarter Rumpfparlaments am 18. Juni 1849 insgesamt 809 Abgeordnete an den Verhandlungen des ersten deutschen Nationalparlaments teilgenommen. Am 18. Mai 1848 versammelten sich in der Frankfurter Paulskirche die
Mitglieder des ersten gesamtdeutschen Parlaments, um über eine freiheitliche
Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats zu beraten.
Zu ihrem ersten Präsidenten wählte die Nationalversammlung den
angesehenen liberalen Politiker Heinrich von Gagern. Das Parlament gab
sich eine Geschäftsordnung und setzte zur vorbereitenden Beratung
Ausschüsse und Kommissionen ein. Unter diesen ragt insbesondere der
Verfassungsausschuss hervor, der maßgeblich die später von
der Paulskirche verabschiedete Verfassung konzipiert hat. Zur Vorbereitung der Arbeit in Plenum und Ausschüssen kamen Abgeordnete
mit ähnlichen politischen Zielvorstellungen und Interessen in Klubs
zusammen, um über die anstehenden Fragen zu beraten und das weitere
Vorgehen abzustimmen. Diese nach den jeweiligen Tagungslokalen benannten
Klubs gelten als Vorformen parlamentarischer Fraktionen, die zwar noch
nicht die Geschlossenheit und Verbindlichkeit späterer Parlamentsfraktionen
aufwiesen, sich aber gleichwohl für die Organisation und Strukturierung
der Debatten und Entscheidungen als unerlässlich erwiesen. Die parlamentarischen
Klubs der Paulskirche repräsentierten maßgebliche politische
Strömungen der Zeit: Die monarchistische Rechte (Steinernes Haus,
Café Milani) setzte sich für die Wahrung der Vorrechte der
Einzelstaaten und der Monarchen ein. Die verschiedenen liberalen Gruppierungen
des so genannten rechten und linken Zentrums (Casino, Augsburger Hof,
Landsberg, Pariser Hof, Württemberger Hof) befürworteten eine
föderal strukturierte, konstitutionelle Monarchie mit einem Parlament
und einem erblichen Kaiser als Staatsoberhaupt. Demgegenüber forderten
die Fraktionen der demokratischen Linken (Deutscher Hof, Donnersberg,
Nürnberger Hof, Westendhall) die Errichtung einer auf dem Prinzip
der Volkssouveränität gründenden parlamentarisch-demokratischen
Republik. Zu den historisch herausragendsten Leistungen der Frankfurter Nationalversammlung gehört das am 21. Dezember 1848 verabschiedete "Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes". Zum ersten Mal erlangten damit Menschen- und Bürgerrechte Gesetzeskraft in Deutschland. Der auch die Weimarer Verfassung und das Grundgesetzes maßgeblich beeinflussende Grundrechtskatalog enthielt als Kernelemente die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Aufhebung aller Standesvorrechte, die Gewährleistung persönlicher und politischer Freiheitsrechte (wie Presse-, Meinungs-, Versammlungs-, Gewerbefreiheit, Freizügigkeit etc.) sowie die Abschaffung der Todesstrafe. Die am 27. März 1849 verabschiedete Reichsverfassung sollte einen
föderalen deutschen Einheitsstaat konstituieren, dem mit Ausnahme
des Kaisertums Österreich alle Staaten des Deutschen Bundes angehörten
(kleindeutsche Lösung). Sie sah einen erblichen Kaiser als Staatsoberhaupt
vor, der auch das Recht zur Einsetzung der Regierung hatte. Dem Reichstag,
der sich aus einem Staatenhaus und einem demokratisch zu wählenden
Volkshaus zusammensetzte, oblagen vor allem die Gesetzgebung, das Budgetrecht
und die Kontrolle der Exekutive. Die zentrale Frage der Verantwortlichkeit
der Regierung gegenüber dem Parlament blieb allerdings offen und
sollte später geregelt werden. Als im April 1849 der von der Nationalversammlung zum "Kaiser der
Deutschen" gewählte preußische König Friedrich Wilhelm
IV. das ihm angetragene Amt unter Berufung auf seine im Gottesgnadentum
begründete monarchische Legitimation ablehnte, waren die Bemühungen
der Paulskirche um eine Verfassung und die Errichtung eines deutschen
Nationalstaats praktisch gescheitert. Angesichts des Wiedererstarkens
der monarchisch-restaurativen Kräfte in den deutschen Einzelstaaten
resignierte das auch in der Bevölkerung schnell an Rückhalt
verlierende Parlament und löste sich Ende Mai selbst auf. Auch das
nach Stuttgart verlegte, vorwiegend aus linken Paulskirchenabgeordneten
bestehende Rumpfparlament und die auch mit gewaltsamen Mitteln betriebene
Kampagne zur Verteidigung der Reichsverfassung im südwestdeutschen
Raum konnten die konterrevolutionäre Entwicklung nicht wirksam aufhalten.
Mit der Auflösung des Stuttgarter Rumpfparlaments und der Eroberung
der badischen Festung Rastatt im Sommer 1849 war auch der letzte revolutionäre
Widerstand gebrochen und die mit großen Hoffnungen angetretene liberale
und demokratische Einheits- und Freiheitsbewegung von 1848/49 endgültig
gescheitert.
|
||||||||
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |