Tagebuch Die Röchlings und die Völklinger
Hütte
Tag 35 10. Dezember 2014
Hans Horch zitierte in seinem Beitrag über den Prozess gegen Hermann Röchling in Rastatt u.a. am 16. Februar 1948 vor dem Tribunal Général du Gouvernement Militaire de la Zone Française dOccupation in den Saarbrücker Hefte 92 aus den Akten.
Teil III
Aus den übereinstimmenden Zeugenaussagen
der früheren Arbeiter
des Lagers, der Ärzte, der Wärter und der Dorfbewohner geht hervor,
dass diese Bestraften in unmenschlichen Verhältnissen lebten. Nach
nur wenigen Stunden Schlaf wurden sie oft mitten in der Nacht, gewöhnlich
völlig unbekleidet, zu gymnastischen Übungen
herangezogen, um sodann nach der Fabrik in Völklingen verbracht
zu werden, wo sie zu den schwersten Arbeiten, insbesondere in der Kokerei
und bei der Behandlung des Pechs, selbst Sonntags während
10 Stunden eingesetzt wurden. Abends um 18 Uhr wurden sie ins
Lager zurückgeführt, wo sie während mehreren Stunden zum Strafexerzieren
(kriechen, laufen, springen) angehalten wurden. Hunde waren hergerichtet,
um Arbeiter, die sich ohne zu laufen bewegten, zu
beissen. Die Wärter schlugen die Gefangenen oft ohne jeden Grund;
sie wurden manchmal in einen halb mit Wasser gefüllten Keller eingesperrt.
Die Ernährung der Leute, die zu diesen aufreibenden Arbeiten und Übungen
herangezogen wurden, war absolut
ungenügend; sie bestand in etwas Brot und einer Suppe gewöhnlich
ohne Gemüse.
Die Bewohner von Etzenhofen waren empört, wenn sie in den Straßen
diese entkräfteten oder zusammenbrechenden Menschen sahen, die an ihrer
blau und weiss gestreiften Sträflingsbekleidung erkenntlich waren. Hermann
RÖCHLING wird nicht vorgeworfen, diese erbärmliche Behandlung angeordnet,
wohl aber sie geduldet und nichts zu ihrer Abhilfe getan zu haben.
Selbst wenn die im Besitz der Röchlingschen
Familiengemeinschaft befindlichen Schriftstücke auch weiterhin nur dem
von ihr besoldeten Hagiographen 11 offenstehen sollten, können Quellen
wie die hier
zitierte durchaus genügen, um die Geschichte des Röchling-Prozesses
zumindest in großen Linien zu zeichnen. An dieser Stelle
kann allerdings nur ein einziger Aspekt behandelt werden, die Frage nämlich
nach der Motivation Röchlings, seine Rolle als kapitalistischer Unternehmer
hinter sich zu lassen, um sich am größten Raubzug der Geschichte
zu beteiligen und zugleich zum Sklavenhalter zu werden.
Das Tribunal Général, die erste
Instanz, hatte am 30. Juni 1948
Röchling der Führung des Angriffskrieges für schuldig befunden.
RÖCHLING Hermann ist aus seiner Rolle als
Industrieller herausgetreten, hat sich um hohe Verwaltungsämter beworben
und solche angenommen, um die deutsche Eisenerzeugung zu steigern.
So hat im Juni 1940 RÖCHLING Hermann das Amt als Generalbeauftragter
für die Eisenhütten in den Départements der
Moselle und der Meurthe et Moselle Süd übernommen, in dessen Ausübung
er diese Unternehmen mit einer jährlichen Kapazität von
mehr als 9 Millionen Tonnen und einer Belegschaft von über 200.000 Köpfen
völlig beherrschte. Nach der von Göring im Jahre 1941 durchgeführten
Betriebzuteilung behielt RÖCHLING Hermann
als Generalbeauftragter seine Herrschaft über alle diese Unternehmen
bei und bemühte sich mit allen Mitteln, die Produktion dieser Werke,
die für die deutsche Kriegsmacht bestimmt war, zu steigern. Als zu Beginn
des Jahres 1942 die Eisenerzeugung in Deutschland absank, schrieb RÖCHLING
Hermann an Göring, um ihn auf die Lage aufmerksam zu machen, ihm Mittel
zur Abhilfe, insbesondere
eine jährliche Produktionssteigerung von 600.000 auf 700.000
Tonnen in Vorschlag zu bringen, ihm mitzuteilen, dass er bedaure,
diese Mittel, mangels genügen der Autorität nicht anwenden zu
können und sich als Retter der Lage anzubieten. (
)
Am 30. April 1942 machte RÖCHLING Hermann
dem Minister für Bewaffnung Speer neue Vorschläge zur Erhöhung
der Eisenerzeugung. Am 29. Mai 1942 ernannte Göring RÖCHLING Hermann
zum Vorsitzenden der Reichsvereinigung Eisen (RVE.), einer Einrichtung, deren
Ziel darin bestand, die Kriegsanstrengungen des Reichs im Hinblick auf die
Koordination und Intensivierung der deutschen
Eisenerzeugung zu lenken. Am 18. Juni 1942 erhielt er den Titel Reichsbeauftragter
unter Ausdehnung seiner Befugnisse auf alle vom Reich besetzten Länder.
Die Ernennungsurkunde unterstellt seiner Leitung die besetzten Westgebiete,
Norwegen, das Elsass, Lothringen, Luxemburg, die Steiermark, Süd-Kärnten,
Böhmen, Mähren,
Polen, die Ukraine und Serbien mit den ausgedehnten Vollmachten,
alle Maßnahmen zur Produktionssteigerung zu ergreifen.(
)
In der Ausübung seines Amtes als Direktor
für Eisen und Stahl in Deutschland und den besetzten Ländern legte
RÖCHLING Hermann einen ganz besonderen Eifer an den Tag; gegen die Direktoren
der besetzten Betriebe war er von äußerster Strenge. Indem er sich
auf
das Terrorregime stützte, das Deutschland in den besetzten Gebieten führen
ließ, forderte er von ihnen, für die Steigerung einer Macht zu
arbeiten, die mit ihrem Vaterland im Kriege stand. Dies ergibt sich
aus den Aussagen zahlreicher einvernommener Zeugen (
)
Dank seiner technischen Fähigkeiten und
auch des Drucks, den er auf die Industrie der besetzten Länder ausübte,
gelang es RÖCHLING Hermann das Absinken der Eisenerzeugung, das zu Beginn
des Jahres 1942 eingesetzt hatte, aufzuhalten, wie dies aus dem Bericht des
Generals THOMAS, Chef der Reichs-Kriegswirtschaft, vom 13. November 1945 (sic!)
hervorgeht (
)
Die Handlungen Hermann RÖCHLINGs haben
unbestreitbar in
großem Ausmaße zur Verlängerung der Angriffskriege während
3 Jahren beigetragen; die Anklage, soweit sie sich auf die Führung der
Angriffskriege stützt, ist somit begründet.