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Die Ostarbeiterinnen arbeiten und hungern für die Gewinne der Röchling-Familie

 

Tagebuch “Die Röchlings und die Völklinger Hütte”

Tag 53 - 17. Januar 2015

 

Die Ostarbeiterinnen

 

(aus Band 1 (1873 bis 1945): "Aufstieg und Wandel - 140 Jahre Völklinger Hütte" von Hubert
Kesternich, der im Frühjahr 2015 im Blattlaus Verlag Saarbrücken erscheint, S. 42)
)3

Der Einsatz sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in
Deutschland nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941
begann nach der Verabschiedung der sogenannten „Ostarbeiter-Erlasse“
am 20. Februar 1942. Als Folge dieser von Himmler initiierten
„Ostarbeiter-Erlasse“ wurden drei Millionen zivile Arbeitskräfte, darunter
12- bis 14-Jährige, als Arbeitssklaven nach Deutschland verschleppt. Hier
unterstanden sie, der NS-Rassenideologie folgend, einem
diskriminierenden Sonderrecht.

„Während des Aufenthalts der Arbeitskräfte aus dem altsowjetischen
Gebiet im Reich sind diese streng von der deutschen Bevölkerung, ausländischen Zivilarbeitern und allen Kriegsgefangenen abzusondern
(...), in geschlossenen Lagern (Baracken) mit einer (...) möglichst mit Stacheldraht versehenen Umzäunung unterzubringen. (Sie) haben
während ihres Aufenthalts im Reich auf der rechten Brustseite eines
jeden Kleidungsstückes ein mit diesem fest verbundenes Kennzeichen
stets sichtbar zu tragen. (...) Fälle unerlaubten Geschlechtsverkehrs
(...) sind (...) durch staatspolizeiliche Maßnahmen zu ahnden und
schwangere weibliche Arbeitskräfte möglichst nach dem Osten abzuschieben.“

Bei den RESW in Völklingen kamen die ersten „OstarbeiterInnen“ im
Mai 1942 an. Das Eintreffen in Völklingen und der Arbeitseinsatz der
„Ostarbeiter“ – wie man die aus ihrer Heimat Zwangsverschleppten bald
nannte – bei den RESW veranlassten die Direktion zu Maßregeln
den Umgang der deutschen Betriebsangehörigen mit den sowjetischen
ArbeiterInnen betreffend. „Strengste Zurückhaltung beim Umgang mit
Russen“ forderte Röchling-Schwiegersohn Dr. von Gemmingen in einem
Rundschreiben am 1. Juni 1942. ...

Lange Arbeitszeiten und Mangelernährung forderten bei den sowjetischen
Kriegsgefangenen der RESW bald ihren Tribut. Der Gesundheitszustand
der bei den RESW als Arbeitskräfte eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen war derart desolat, dass die zur Unterbringung von Tuberkulosekranken im Lager Ost I in Völklingen eingerichteten vier Baracken nach kurzer Zeit nicht mehr ausreichten, um alle Patienten versorgen zu können.

Eine deutlich schlechtere Verpflegung sowjetischer Kriegsgefangener in reichsdeutschen Rüstungsbetrieben bestätigte Ernst Poensgen, seit 1937 Wehrwirtschaftsführer und bis Mai 1942 Leiter der Wirtschaftsgruppe eisenschaffende Industrie, auf einer Beiratssitzung der Bezirksgruppe Nordwest. Poensgen befand, dass „die für sowjetische Kriegsgefangene festgesetzten Verpflegungssätze (...) erheblich niedriger (...) lagen als die
der übrigen Kriegsgefangenen. So erhielten die russischen
Kriegsgefangenen bei Fleisch und Fett nur rund 50 Prozent der
Portionssätze für nichtsowjetische Kriegsgefangene.“