Tagebuch Die Röchlings und die
Völklinger Hütte
Tag 30 20. November 2014
Die Röchlings und die Völklinger Hütte
Dies ist ein Beitrag von Sadija Kavgic-van
Weert der am 17. November 2014
in dem Online Magazin SAARKLAR (http://www.saarklar.de/die-roechlings-und-die-voelklinger-huette)
veröffentlicht wurde.
Zu der am 13. September 2014 in der ehemaligen
Erzhalle der Völklinger
Hütte eröffnete Ausstellung Die Röchlings und die Völklinger
Hütte
kommen kaum Besucher.Das ist auch gut so! Warum?
Es gab und gibt Industrielle, auf die die Menschheit
stolz sein kann. Das
sind solche, die auch unter Einsatz eigenen Vermögens und Lebens den
Respekt vor einem Menschenleben bewahren. Das bekannteste Beispiel ist
der deutscher Industrielle Oskar Schindler, der 1.200 seiner jüdischen
Zwangsarbeiter während der Nazizeit in Deutschland das Leben rettete.
Und es gab und gibt Industrielle, zu denen
nur ihre Familien und ein kleiner Kreis von Bewunderern aufschauen. Das sind
solche, die in ihrem
Größenwahn und ihre Geldgier alles niedertrampeln, was ihnen im
Wege
steht. Auch Menschenleben. So einer war Hermann Röchling. Und
dennoch: Wenn er heute noch leben würde, gäbe
es im Saarland Menschen,
die ihm in ihrer unbegrenzten Verehrung überall hin blind folgen und
ihre
Kinder auf die Straße schicken würden, damit dieser König
von der Saar ihnen Bonbons von seinem Pferd zuwerfen kann. So wie er
es in seinem
langen Leben zu machen pflegte.
Auch wenn er seit 1955 nicht mehr lebt, wird
in Völklingen ständig an seiner kultigen Verehrung gearbeitet. Zuletzt
durch die hochpolierte Ausstellung
Die Röchlings und die Völklinger Hütte. Bezahlt hat die
Familie Röchling. Und zwar über die Ulli und Uwe Kai Stiftung,
die offensichtlich nur auf
dem Papier existiert, damit die Gelder, die eigentlich aus der Röchling
Stiftung kommen, anonym bleiben. Zu dieser Phantomstiftung findet sich
lediglich eine Todesanzeige aus dem Jahre 2010, aus der zu erfahren ist, dass
Uwe Kai viele Jahre Mitglied des Vorstands des Familie Röchling
e.V. war. Er hat sich engagiert und erfolgreich für die Ziele unseres
Vereins eingesetzt
heißt es darin.
Die Röchlings, das sind heute
mehr als 200 Mitglieder einer der reichsten Familien in Deutschland. Reich
sind sie durch die Völklinger Hütte geworden. Dort wurde Stahl für
die deutsche Kriegsführung produziert. Hermann Röchling führte
die Hütte durch beide Weltkriege, an denen er sich auch maßgebend
politisch beteiligte. Dafür wurde er 1918, nach dem ersten und 1949 nach
dem zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher verurteilt. Verbrechen gegen die
Menschheit. Dazu gehören u. A. Vorbereitung und Durchführung eines
Angriffskrieges, Deportation, Versklavung und Tötung von Menschen aus
politischen, ethnischen oder rassistischen Gründen, etc. Das sind nach
heutigem Ermessen die schlimmsten Verbrechen, die ein Mensch begehen kann.
Hermann Röchling wird schon 1935 als damals 63-jähriger Mitglied
der Nazipartei NSDAP, er ist einer der wichtigsten Berater Hitlers und sein
Wehrwirtschaftsführer. Um Hitlers Welteroberungsträume zu erfüllen
und seinen eigenen Reichtum zu mehren, ist er bis zur Kapitulation einer der
fanatischsten Kriegstreiber. Damit ist er nicht nur für den Tod von Millionen
von Menschen, sondern auch für die Zerstörung des eigenen Heimatlandes
mitverantwortlich. Und während die Deutschen in Russland kämpften,
mussten Russen, Polen, Serben und nach 1943 auch Italiener in der
Völklinger Hütte unter Zwang das Eisen für die Waffenherstellung
produzieren. Es gab ein werkseigenes Konzentrationslager in dem
mindestens 256 Zwangsarbeiter ums Leben gekommen sind
Das Werk Völklingen wurde 1945 nach der
deutschen Kapitulation unter französische Verwaltung gestellt. In Abwesenheit
des verhafteten Hermann Röchling wurde die Hütte wiederaufgebaut
und erreichte 1952 wieder die Vorkriegskapazität. Nach Wiedereingliederung
des Saarlandes in
die Bundesrepublik Deutschland 1955 wurde sie der Familie zurückgegeben.
Nachdem 1975 die Dauerkrise in der Stahlindustrie
eingesetzt hatte, verkaufte die Familie Röchling ihre Völklinger
und Burbacher Hütte an das Land Saarland. Die Familie investierte nun
ihr Vermögen in einen anderen waffenherstellenden Konzern, die Rheinmetall
AG. Zudem ist sie heute einer der Weltführer in der Kunststoffindustrie.
Der Sitz des unvorstellbar reichen Familienunternehmens ist in Mannheim. Um
die nun gekauften Hütten zu sanieren, musste das
Saarland mehrere kostenintensive Maßnahmen der öffentlichen Hand
unter Beteiligung der Bundesrepublik durchführen. Am Ende blieb nur noch
das Unternehmen Saarstahl übrig. Kein Geld. Das Saarland
blieb arm. Die Stadt Völklingen auch.
Und dennoch sollen wir alle im Saarland glauben
der Familie Röchling etwas zu schulden. Ihr Respekt zollen zu müssen?!
Die Ausstellung Die Röchlings und die Völklinger Hütte
ist seit September 2014 in Völklingen zu sehen. Hendrik Kersten, der
Kunsthistoriker im Weltkulturerbe Völklinger Hütte hat unter wissenschaftlichen
Recherchen der Journalistin und Historikerin Dr. Inge Plettenberg an der Ausstellung
mitgearbeitet. Bei einer, von der Aktion 3. Welt organisierten,
drei Stunden dauernden Führung konnte von ihm folgendes erfahren werden:
die Zwangsarbeiter wurden überall eingesetzt, auch in Privathaushalten, das war nichts Besonderes Zwangsarbeit ist sauberst zu trennen von dem System Vernichtung durch Arbeit, diese schrecklichen Exzesse, das ist eine andere Schiene, als hier die Zwangsarbeit, wo es darum ging die Wertschöpfung zu erzielen Hermann Röchling war kein Antisemit Herman in seinem Parteimitgliedsbuch steht als Beruf Hüttenarbeiter Humor hatte der Bursche
Und wie ist die Fotowand, die das Herzstück
der Kultbildung um Hermann Röchling darstellt, entstanden? Herr Kersten
beschreibt wie er in dem Familienalbum der Röchlings geblättert
hat und die Fotos ausgesucht hat: Hermann als kleines Kind, dann
als einjähriger freiwilliger Dragoner, dann einmal im Zivilanzug, dann
um 1910 herum schon mit schütterem Haar
und hier haben wir unseren Hermann, wie wir ihn eigentlich kennen:
der kahle Schädel mit diesen beiden Narben durch Schmisse. Das waren
hier ordentliche Schmisse, da muss man sich schon freiwillig stellen, mit
so einem Ding
, so Kersten.
Neben der Fotowand sind noch eine Eisenmaske
mit seinem Bildnis, nachgebauter Zeugenstand bei seinem Gerichtsprozess in
Rastatt, ein
Schwert, dass er dem Landesfürsten Franz Josef Röder
geschenkt
hatte und einiges mehr zu sehen. Und wie ist die Ausstellung entstanden?
Die Familie hat ihre Archive geöffnet und die Ölgemälde aus
ihren
Palästen ausgeliehen. Dazu hat man einige Unterlagen wie
zum Beispiel
das Handelsregister aus den saarländischen Archiven besorgt. Ansonsten
wurde keinerlei Forschung durchgeführt. Noch nicht mal im Bundesarchiv.
Das wird mit zu wenig Zeit erklärt! Dabei wurde diese Ausstellung
bereits 2004 angekündigt!
So erfährt der Besucher auch nichts darüber,
ob die Familie sich an dem,
unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit von deutscher Industrie
und der Bundesrepublik erschaffenem Fonds zur Entschädigung der Zwangsarbeiter
wenigstens mit einem kleinen Teil ihres Profits beteiligt hat. Auch über
die Arbeitsbedingungen und das Leben der Hüttenarbeiter
erfährt man so gut wie gar nichts. Der NS-Terror gegen die Völklinger
Arbeiterbewegung 1935, an dem Herman Röchling aktiv beteiligt war, bleibt
in der Ausstellung auch unerwähnt. Und es gibt noch niemanden, der im
Namen der Arbeiter seine Proteststimme erhebt! Die Völklinger und das
Saarland haben für die Hütte teuer bezahlt! Und sie gehört
ihnen! Jetzt
haben sie ein eimaliges Industriedenkmal, das in das UNESCO Welterbe aufgenommen
wurde. Das ist doch der richtige Ort an dem die
Hüttenarbeiter und ihre Familien, wie auch die Fremdarbeiter,
die zur
Arbeit gezwungen waren, geehrt werden sollen! Diejenigen, die ihr Leben
für die Hütte gegeben haben, die die Hütte wiederaufgebaut
und als Steuerzahler mit eigenem Geld saniert haben! Und nicht ein Ort, an
dem
eine Familie glorifiziert wird, die daran ihren Reichtum gemacht hat, und
als
es hier für sie nichts mehr zu holen gab, auf ihrem Profitzug durch die
Waffenproduktion, einfach weitergewandert ist.