Aus dem Vorwort zum Buch
Von Josef
Reindl (Sozialwissenschaftler)
... Ganz anders verhält es sich mit Hermann Röchling, dem legendären Stahlmagnaten des Saarlandes. Er, der den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion befeuerte, die Waffen dazu lieferte, im eigenen Unternehmen die russischen Zwangsarbeiter malträtierte und bei Zuwiderhandlungen im werkseigenen KZ umbringen ließ, ist Ehrenbürger und Namensgeber eines Stadtteils und eines Fußballvereins. Hermann Röchling war ein glühender Gefolgsmann von Adolf Hitler, er gehörte zum inneren Kreis der faschistischen Machtelite, er nutzte die Kriegswirtschaft für den Raub fremden Eigentums, für die persönliche Bereicherung, für das Ausleben seines Herrenmenschentums und dennoch fällt den Menschen hierzulande zu ihm vor allem ein, dass er ein begnadeter Ingenieur und ein Wohltäter der Arbeiter war.
Es kann nicht am fehlenden Wissen über seine Untaten liegen. Seine Verbrechen sind juristisch beglaubigt, er ist als Kriegsverbrecher verurteilt worden, seine brutalen Herrschaftsmethoden sind zur Genüge dokumentiert. Aber diejenigen, die den Faschismus im Röchling-Imperium beschrieben haben - wie Hans Horch, Erich Später, Dieter Gräbner und Hubert Kestenich -, sind Rufer in der Wüste geblieben. ...
Die Causa Röchling, deren Spuren Bernd Rausch in seiner gedrängten Abhandlung folgt, ist aber noch aus einem anderen Grund von besonderer Bedeutung. Sie wirft erneut die Frage nach dem Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus auf ...
Es ist das Verdienst von Bernd Rausch, Röchling nicht als einen durch die Nazis enthemmten und sich radikalisierenden Kapitalisten zu zeichnen, sondern die Kontinuität im Denken und Handeln der Röchlings in den Blick zu nehmen. Sie waren schon die, die sie wurden. Und sie sind sie geblieben, wie die Weigerung zeigt, die eigene Familiengeschichte und insbesondere die braune Vergangenheit kritisch aufarbeiten zu lassen. Dem Buch von Bernd Rausch ist eine große Verbreitung zu wünschen, gerade jetzt, wo am Horizont wieder ein neuer Faschismus aufscheint. Mein größter Wunsch ist, dass Bernd Rausch kein weiterer Rufer in der Wüste wird.
100 Jahre Röchling. Ausbeutung, Raub, Kriegsverbrechen,
aus einem Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Richard Zietz
"... Rauschs Schilderung der Firmenaktivitäten ist in einen Text-
und einen Bildteil untergliedert. Die ersten vier Kapitel beleuchten Vergangenheit
und Gegenwart des Röchling-Unternehmens. Das erste Kapitel beschäftigt
sich mit der Zeit bis 1945. Im Zeitraffer doch dort, wo es nötig
ist, durchaus ins Detail gehend schildert es die Aktivitäten der
Röchlings für Kaiser, Vaterland und schließlich ihren Führer.
Dass zweite Kapitel richtet den Blick auf die Situation der Röchlingschen
Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs und den Rastatter Prozess.
Kapitel drei wirft Spots auf das Patronage-System, welches die Röchlings
für ihre Arbeiterschaft etablierten. Dass die Geschichte nicht vergeht,
zeigt die Anschlussgeschichte, die Bernd Rausch in Kapitel vier darlegt: der
Versuch des Whitewashings, der Inszenierung einer bruchlosen, von der unschönen
Flecken weitgehend bereinigten Vergangenheit im Rahmen des Weltkulturerbes
Völklinger Hütte. Im Mittelpunkt dieses Kapitels: Meinhard Maria
Grewenig, Kunsthistoriker, Generaldirektor und Geschäftsführer der
Weltkulturerbe-Einrichtung.
Die Auseinandersetzung speziell mit den von Grewenig auf den Weg gebrachten
Jubiläumsevents vertiefen die Diskrepanz zwischen der auf schön
getrimmten Gegenwart und der blutigen Vergangenheit. Zu einer alternativen
Ausstellung Titel: Menschheitsverbrechen kann man sich im Buch
zumindest einen Überblick verschaffen. Als Künstler setzt sich Bernd
Rausch ebenfalls mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen auseinander.
Die Webseite zur Ausstellung bietet zusätzliche Infos. Das Buch enthält
als Einstieg in die Thematik ein Vorwort des Sozialwissenschaftlers Josef
Reindl sowie Auszüge aus einem Offenen Brief, den unter anderem Oskar
Lafontaine mit auf den Weg brachte und der darauf dringt, den nach Hermann
Röchling benannten Völklinger Stadtteil endlich umzubenennen.
Fazit
Womit wir in den Tageskämpfen wieder angelangt wären: dem rechten
und rechtspopulistischen Furor, der in Völklingen offenbar tiefer grundiert
ist als anderswo, der Stadtgeschichte im Schatten eines Industriepatrons,
der rückhaltloser als das Gros seiner Klassegenossen mit dem Nationalsozialismus
sympathisierte, dem Stadtteil Röchling-Höhe und einem Industriepark,
der auf postindustriell machen will und die Vergangenheit dabei ausblendet.
Themen, die in Bernd Rauschs Buch oft nur angerissen werden. Für all
diejenigen, die auf der Spur der Geschichte der Täter sind, liefert 100
Jahre Röchling einen informativen, teils spannenden und mit viel Details
aufwartenden Mix aus Info und Kunst.
Nachspann: Der Handgranaten schleudernde Soldat als Alegorie der Treue (hier:
Foto bei Wikimedia Commons) ziert als Röchlingsche Stiftung die Völklinger
Versöhnungskirche bis zum heutigen Tag. Ein Bild, dass im Buch mit enthalten
ist und die Geschichte, die nie vergeht, gut auf den Punkt bringt.
Bernd Rausch: 100 Jahre Röchling. Ausbeutung, Raub, Kriegsverbrechen.
Saarbrücken, Januar 2017. 102 Seiten, 9,90 €. ISBN 978-3-00-053761-5.
Webseite zum Buch: hier.http://www.ausstellung-rausch.de/0/Roechling-Buch/Buch.htm"
Der gesamte Beitrag von Richard Zietz im Freitag: https://www.freitag.de/
/maennliche
/der-patron-von-der-saar
Dieser Beitrag stand nicht in der Saarbrücker Zeitung oder einer der zahnlosen Hochglanzpostillen im Saarland. Der Beitrag ist der aktuellen saarländischen Straßenzeitung Guddzje entnommen.