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Kolonialismus, grün lackiert

In
„Aus kontrolliertem Raubbau“
beschäftigt sich Kathrin Hartmann mit dem
Phrasenrausch und Blabla von Industrie und Regierung.

Präzise Begriffe sind unerwünscht. Beschönigung dringend erforderlich. Wer die Macht hat, kann nach Belieben definieren. Das ist die Erkenntnis aus
Kathrin Hartmanns dritten Buch „Aus kontrolliertem Raubbau“ . Hartmann ist Sprachkritikerin. Sie beschäftigt sich wie Waren, für deren Herstellung
Menschen ausgebeutet und Natur vernichtet wird, bei uns als nachhaltig und ökologisch angepriesen werden. Für dieses Verfahren gibt es inzwischen das
Fachwort „Greenwashing“. Hartmann hat sich dessen Verwüstungen in Indonesien und Bangladesh umgesehen.

Indonesien ist für den Imperialismus wie geschaffen. Multatuli schrieb darüber den Max Havelaar. Früher war es der Kaffee und noch heute hat jeder
Kiosk Sumatrazigarren. Als neues Übel gesellt sich das Palmöl hinzu. Es ist im Biodiesel und in zahlreichen Waren im Supermarkt zu finden. Wenn Palmöl aus nachhaltigem Anbau stammt, wie einem die Packung versichert, dann wurden vorher Wälder gerodet und kleinbäuerliche Landwirtschaft vernichtet.
Wer auf den Plantagen schuftet und sich für seine Kollegen einsetzt, läuft Gefahr ermordet zu werden. Hartmann schildert wie der Aktivist Puji totgeschlagen wurde.Seit dem Putsch im Jahre 1965, dem Hunderttausende zu Opfer fielen, ist die Arbeiterschaft entrechtet.

Palmöl ist darum so infam, weil es sich tatsächlich mit dem Begriff „nachhaltig“ schmücken kann. Denn die Voraussetzungen und die Art seiner Produktion werden ausgeblendet. Die Tütensuppe im Supermarkt, die Hartmann als Beispiel aufführt, ruht als „ganz bewusstes Ökoprodukt“ auf den Knochen
der Plantagenarbeiter und der Rodung der Wälder.

Bleibt ein Stückchen Land vom Raubbau verschont, dient es dem Gewissen der wenigen Reichen. Wie etwa der „Wald der Hoffnung“ auf Sumatra. Hier müssen sich Orang-Utans von Adeligen des WWF streicheln lassen. Sollte man ein paar Meter weiter sein, werden Waldbauern zu Holzdieben kriminalisiert, ehemalige Landwirte pflanzen für einen Hungerlohn Setzlinge und das Wissen um geeignetes Saatgut wird geraubt.

Wenn man der Selbstdarstellung der Konzerne glaubt, wurden sie geschaffen, um die Welt zu retten. Deshalb versuchen sie vom Ansehen der
Nichtregierungsorgansitionen, die als unbestechlich und uneigennützig gelten. zu profitieren.

Bei manchen NGOs hat sich ein „Pragmatismus“ eingeschlichen. Sie fangen an den schönen Schein der Industrie zu trauen. „Greenpeace“ driftet so langsam
ab. Die Menschen, die Hartmann traf wollen aber keinen runden Tisch, keinen Diskurs auf Augenhöhe, keine Hilfe zur Selbsthilfe. Sie wollen humane
Arbeitsbedingungen und Land. Es scheint als hätten Hartmanns Gesprächspartner aufmerksam Bertolt Brecht gelesen. Sie überprüfen die Wörter der Multis wie einen schlechten Pfennig und wissen, dass das
Geschwätz von der ökologischen Zertifikatskultur niemanden satt macht.

In Bangladesh bringen die Bioshrimps aus innovativer Aquakultur Hunger und Armut. Zugunsten der Zuchtbecken werden Mangrovenwälder und Reisfelder geopfert und der Boden versalzt. Deshalb soll der Bauer teures Saatgut aus den Laboren kaufen. Damit der Wahnsinn noch mehr Methode bekommt werden die „Snacks“ für den konsumorientierten Citoyen im Westen mit Soja, wofür wiederum Wälder gerodet werden und Monokulturen entstehen, gefüttert. Denn
das deutsche Bürgertum will nicht nur Shrimps mit Mayonnaise essen, wo gegen nichts einzuwenden ist, sondern auch noch mit moralischer Überlegenheit. In Wahrheit liegt es vor der Beschönigungsindustrie auf den Bauch. Die eitle Phrase „wir treffen eine ganz bewusste Kaufentscheidung“ , ist der Grund vielen Misstände. Damit wird grün unterfütterter „Irrsinn“
gerechtfertigt.

Bill Gates ist das lächelnde Gesicht des Neofeudalismus, der lieber Almosen
vor dem Mikrophon spendet statt Steuern zu zahlen. Wenn es Philanthropen
gibt, ist ein solidarisches Gesundheitssystem überflüssig. Technik
übertünscht die Frage, wem was aus welchen Gründen gehört.

Im fernen Sumatra wird so ein Seelenbild des oberen, deutschen Mittelstandes gezeichnet. Statt Sozialismus oder Barbarei geht es jetzt um Biodiesel oder Elektroauto. Das Bürgertum, das seinen Fürsten nie zeigte, was eine Harke ist, und wenn man dem Spiegel glauben darf, lieber Sarrazin statt Hölderlin liest, hat nur noch den Konsum als Distinktion von den Armen. Begeistert der Verrohung entgegen taumeln sie beide.

Früher sagten sie Bibel und meinten Kattun. Heute sagen sie Philosophie der sozialökologischen Nachhaltigkeit und meinen Landraub,
Menschenrechtsverletzung und Naturzerstörung. Der Kapitalismus ist unglaublich schnell in der Lage hochwertige, gutklingende Wörter, die irgendwelche randständige Spinner erfunden haben und dann populär wurden, für sich zu reklamieren.

Kathrin Hartmann erläutert dies an vielen Beispielen. Das ist ihr grosses Verdienst.

Kathrin Hartmann: „Aus kontrolliertem Raubbau. Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren.“ // Blessing
Verlag, München, 2015 ( 448 Seiten // ISBN: 978-3-89667-532-3 // 18,99 Euro

 

2016 - Das wichtige Buch - von Stefan Gleser - Weitere Buchtips von Stefan Gleser

Bürger künftiger Welten

„Sie werden nicht durchkommen“
ehrt deutschsprachige Spanienkämpfer

Über den spanischen Bürgerkrieg wurden viele Romane, Gedichten und Lieder geschrieben. Enrico Hilpert und Werner Abel kamen nun auf den glücklichen Gedanken, für einen Moment die Kunst beiseite zu schieben und ein biographisches Lexikon über mehr als 3500 deutschsprachige Brigadisten zu verfassen. Die Verfasser widerstanden der Versuchung, noch eine Geschichte über den Kampf gegen Franco zu erfinden. Sie haben Spaniens Himmel, sonst notwendigerweise von Legenden und Pathos verklärt, für einen Moment auf den Boden geholt.

Vorweg ist zu sagen, dass das Buch ehrenamtlich entstanden ist.
Selbstverständlich hat die Bundesrepublik, unentwegter
Erinnerungskulturweltmeister, dieses Vorhaben keinesfalls unterstützt. Wer
Guernica zerstörte, dem gab Westdeutschland eine bombensichere Pension.

Die Personen sind mit politischer Zugehörigkeit, Beruf, Geburtsort und wenn
möglich ausführlich mit ihrer Tätigkeit in Spanien aufgeführt. Der
fragmentarische Charakter vieler Lebensläufe ist der Geschichte geschuldet.
Nach 1945 verwischten viele Spuren. Zu Zeiten des kalten Krieges und des
KPD-Verbotes waren „Rotspanier“ im Westen verpönt. Selbst eine
linksbürgerliche Freundin der Republik wie Erika Mann galt in der BRD schon als verdächtig. Woraus man folgern kann, wie man mit Kommunisten und Anarchisten umging. In der DDR fanden viele ehemalige Spanienkämpfer
zuflucht. Spürbar dort das Misstrauen gegenüber Westemigranten.

Innerhalb der Repbublikaner gab es zwei Varianten, wie man sich des
Franco-Putsches erwehren sollte. Zum einen der Vorschlag der KP. Diese war bis zum Bürgerkrieg unbedeutend. Eine junge Frau machte sich und ihre
Partei mit zwei Wörtern weltberühmt: No Pasaran. Die KP wollte die Republik sichern. Jetzt erst mal den Status quo im sozialen Bereich wahren. Nur so sei es möglich die Unterstützung bürgerlicher Demokraten in England und Frankreich zu gewinnen und die schwankende, unentschiedene Mittelschicht in Spanien auf die richtige Seite der Barrikade bringen. . Denn bislang war nur die Sowjetunion bereit, Waffen zu liefern. Die Anarchisten sahen es genau umgekehrt. In Spanien müssten die Eigentumsformen sofort geändert und die Macht des Klerus gebrochen werden. Nur so könnten die Vorteile der Republik im alltäglichen Leben greifbar werden und solche Errungenschaften würde die Bevölkerung schon selbst verteidigen. Die Kommunisten sahen die Staatskunst in der Aussen- und die Anarchisten in der Innenpolitik.

Das Buch hält sich solchen Gegensätzen gegenüber neutral. Wichtig ist,
gegen was man war. Weniger wichtig, wofür man war. Beim Lesen schien es
mir, als kämen die Lebensläufe aus einer nur fern erkennbaren Zeit. Ein
Wort, das einst mächtig und gross war, und heute seit langem verfemt, formt
die Biographien, seien sie noch so verschieden, zur Einheit: die
Solidarität.

Dieses Wort schuf auch das vorliegende Buch „Sie werden nicht durchkommen“ . Nur so konnte das tollkühne Wagnis in Zeiten selbstoptimierender, authentischer Egoautisten ein Buch über mutige Antifaschisten herauszugeben, überhaupt gelingen.

Zu meinen Erstaunen bestanden die Brigaden nicht nur aus Schriftstellern.
Die Republik rief und es kamen die Übersetzerin aus Mannheim, der Schlosser aus Breslau und die Krankenschwester aus Bayern. Nach all den Niederlagen in Italien, Deutschland und Österreich wollten sie jetzt den Feind stoppen. jetzt aber den Feind stoppen. Bunt gemischt die Truppe an der Front: Der Hühnerzüchter, der schon vorher in Spanien gewesen war, neben dem asketischen Parteisoldaten.

Überraschend viele Brigadisten stammen aus dem Saargebiet. Die zwei Jahre, die es länger frei war, als das Reich scheinen viel bewirkt zu haben.

„Sie werden nicht durchkommen“ fasziniert, weil es den Spanischen
Bürgerkrieg, einer der wenigen Ereignisse in der Geschichte, bei dem gewiss
ist, in welchem Schützengraben die guten Geister der Menschheit sassen, vom Mythos befreit und in grauen Daten vorführt. Die Legende wurde auf ihren Urspurng, die Wirklichkeit , zurückgeführt. So ist, um einen anderen
Rezenszenten zu zitieren, ein unvergessliches „Ehrenbuch“ für die
deutschsprachige Brigadisten entstanden.

Das kleine Luxemburg hat ein Denkmal für die Spanienkämpfer. Der damalige Ministerpräsident Jean-Claude Juncker weihte es in Düdelingen ein. In Deutschland sollte es wenigstens nicht an der Unterstützung für den zweiten Band, der reichhaltiges Bildmaterial sammelt, mangeln. Deshalb unbedingt vorbestellen.

Werner Abel, Enrico Hilbert (Hrsg.):
„Sie werden nicht durchkommen!
Band 1: Deutsche an der Seite der
Spanischen Republik und der sozialen
Revolution“, Verlag Edition AV, Lich,
567 S., br., 45 €,
ISBN 978-3-86841-112-6


https://www.youtube.com/watch?v=z-X9RHJ2xzw