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Tagebuch “Die Röchlings und die Völklinger Hütte”

Tag 7 – 28. September 2014

 

Mehr als einhundert Jahre bestimmten die Röchlings sowohl als Arbeitgeber als auch durch vielfältige städtische Aktivitäten die Geschicke Völklingens wesentlich mit. Die Völklinger Hütte war Waffenschmiede in 2. Weltkriegen. 12.000 Zwangsarbeiter wurden in der Hütte während des 2. Weltkriegs eingesetzt, schikaniert und mehr als 250 wurden getötet. Die Ausstellung über das Wirken der Röchlings hätte Großes leisten können, wenn Aufklärung und Aufarbeitung der Geschichte im Zentrum stehen würden. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung, die um Erkenntnis und Wahrheit ringt, wurde überdeutlich nach dem zivilgesellschaftlichen Desaster, das der Konflikt um die „Hermann-Röchling-Höhe“ zu Tage förderte. Am 14. Juni 2012 wurde im Völklinger Stadtrat der Antrag der Fraktion Die Linke und der SPD, der die Umbenennung des Stadtteils „Hermann-Röchling-Höhe“ zum Ziel hatte, mit 27 zu 22 Stimmen abgelehnt.

Wenn die Mehrheit im Völklinger Stadtrat von CDU, FDP, NPD und der lokalen Wählerinitiative Pro Völklingen 67 Jahre nach Kriegsende sich noch immer als Gefolgschaft des Kriegsverbrechers Hermann Röchling versteht, dann kann von einer gelungenen Entnazifizierung nicht die Rede sein.

Johannes Kloth schreibt in einem Beitrag am 13.09.2014 in der Saarbrücker Zeitung: „[Die Ausstellung] klammert die lange verschwiegenen ‘dunklen Seiten’ nicht aus, stellt sie aber auch nicht in den Mittelpunkt. Zwangsarbeit, Rastatter Prozesse, Rüstungsproduktion erscheinen hier als Teilaspekte einer Familien- und Unternehmensgeschichte, die in chronologischer Abfolge erzählt wird.“

Im Zentrum der Ausstellung hätte das Wirken der Kriegsverbrecher der Röchling-Werke stehen müssen und an zentraler Stelle die des Stahlindustriellen Hermann Röchling,
der 1949 von einem französischen Militärtribunal wegen Verschleppung zehntausender Zivilisten zur Zwangsarbeit
nach Deutschland zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.
Hermann Röchling hatte von 1910 bis 1945 an der Spitze der Geschäftsführung des großen Eisen- und Stahlwerks Völklinger Hütte, eines der wichtigsten Konzerne der deutschen Schwerindustrie, gestanden. Besonders lesenswert ist der
Beitrag von Erich Später im Magazin Konkret 8/2012 über Hermann Röchling: http://www.boell-saar.de/konkret0812.pdf

Das Problem der Ausstellung ist die Überwölbung durch die Röchling-Dynastie und deren Selbstinszenierung im Stile von Adelsfamilien und Königshäusern. Bereits beim Betreten der Ausstellungshalle strahlen einem auf großen Gemälden die Mitglieder der Industrieellenfamilie an. Es wird das Märchen erzählt von einer großen Industriellenfamilie, die sich um die Arbeiter sorgt.

Die Arbeiter bekamen, wie in den meisten großen Industriebetrieben, soviel Lohn, dass sie ihre Arbeitskraft
erhalten und ihre Kinder zu neuen Arbeitern heranziehen
konnten. So wurde verhindert, dass sie sich der damaligen Sozialdemokratie anschlossen und für höhere Löhne und geringere Arbeitszeiten streikten.

Erst später, als der Vernichtungskrieg im Gange war und die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen zu Hunderttausenden starben und im Völklinger Eisenwerk die Misshandlungen und
die miese Entlohnung der Zwangsarbeiter und die daraus folgenden gesundheitlichen Probleme nicht mehr zu übersehen waren, hat Hermann Röchling seiner Völklinger Arbeiterschaft einen Sonderbonus gezahlt, wohl in der Absicht, sie an dem Verbrechen zu beteiligen (hierzu an anderer Stelle mehr).

Durch die Art und Weise der Präsentation werden die
Verbrechen des Hermann Röchling und die Verstrickung der Familie in den Nationalsozialismus lediglich zu einer Episode
der Dynastie, wenn auch einer bedeutenden, aber doch nur zu einer Episode, deren Folge eine Relativierung des Menschheitsverbrechens ist, bei dem die Röchlings tatkräftig mitwirkten und zudem Millionen RM verdienten. Besonders bedauerlich finde ich, dass man mit derartigen Darstellungen weder der bitteren Realität im historischen Prozess noch der heutigen Auseinandersetzung um den Stadtteil „Röchlinghöhe“ gerecht wird.

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