KOLZO

Gehör finden müssen die potentiellen Opfer, 22 Jahre nach ihrer vorgesehenen Ermordung. Sie müssen die Gewissheit bekommen, dass die sie umgebende Gesellschaft von dem gegen sie geplanten terroristischen Verbrechen weiß und dass dieses Verbrechen als Tatsache im allgemeinen
Bewusstsein als Kapitalverbrechen anerkannt ist. Die potentiellen Opfer müssen eine Rechtssicherheit bekommen. Es muss endlich ein Versuch unternommen werden das Verbrechen aufzuklären und in Folge die Täter zu ermitteln und für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen.

2013 Mordanschlag, Kapitalverbrechen in Saarbrücken - Plädoyer für einen Untersuchungsausschuss im saarländischen Ladtag

NEU erschienen Einblick in „Der einzige Zeuge“, eine Geschichte die den versuchten Bombenanschlag auf das Wahlkampfbüro der PDS in der Saarbrücker Innenstadt zum Thema hat

Das Buch zur Bombe

Das Bombenattentat auf das Saarbrücker PDS Büro - Es sollten bis zu 35 Personen ermordet werden.

Rassismus tötet

Der Schattenmann - Wer hat die Bommeleeër-Anschläge verübt?
Weitgehend unbeachtet findet seit Februar 2013 in Luxemburg ein
Jahrhundertprozess statt. Es geht um die "Bommeleeër-Anschläge", bei denen in den 1980er Jahren Strommasten, Schwimmbäder und Gasstationen gesprengt wurden. Dann hörten die Attentate schlagartig wieder auf. Stecken geheime Strukturen dahinter?
Luxemburger Journalisten und der Anwalt der zwei angeklagten
Polizisten, Gaston Vogel, - der Vorwurf gegen die beiden lautet auf
Erpressung des staatlichen Stromkonzerns - listen immer mehr Indizien dafür auf, dass die Täter nicht einfache Kriminelle waren, sondern nur eine militärische Organisation dahinter stecken kann. Es ist nur sehr wenig darüber bekannt, dass die Nato im Kalten Krieg in Europa Geheimarmeen unterhielt - in Italien als Gladio, in Deutschland als Stay-behind-Organisation bezeichnet. Könnten sie für die Luxemburger Attentate verantwortlich sein? Ein deutscher Zeuge, der jüngst vor dem Luxemburger Gericht aussagte, sagt genau das. Der Anwalt der Angeklagten hält ihn für glaubwürdig, der renommierte Gladio-Experte Daniele Ganser fordert eine genaue Untersuchung der Aussagen, die auch das Münchner
Oktoberfest-Attentat betreffen.

Weitere Hintergrundinformationen erhaltet Ihr hier:

- http://www.jungewelt.de/2013/02-21/047.php - Terrorgruppe der NATO
- http://www.jungewelt.de/2013/04-27/001.php - »Fragen zum
CIA-Terrorismus sind tabu«
- http://www.jungewelt.de/2013/05-08/042.php - Juncker und der Terror

 

Bombenleger-Affäre in Luxemburg:
Gericht will Jacques Santer und Jean-Claude Juncker vorladen. Sie wußten davon, taten aber nichts

jungeWelt vom 20.04.2013

Von Ali Ruckert und Peter Wolter

Für Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker und seinen Vorgänger Jacques Santer wird es eng: Das Kriminalgericht des Landes will beide Politiker zu Vorwürfen hören, sie hätten gewußt, daß die NATO-Geheimorganisation »stay behind« mit Hilfe des luxemburgischen Geheimdienstes »Service de Renseignement« (SREL) zwischen 1984 und 1986 mindestens 18 Bombenattentate verübt hat. Die Anschläge galten vor allem Strommasten eines Energieversorgers, es wurden aber auch Bomben in der Radarstation des Flughafens und in Büros gelegt. Mehrere Menschen wurden verletzt.

Gaston Vogel, Verteidiger von zwei Expolizisten, die im »Bommeleeér«-Prozeß (Bombenleger) der Beteiligung an solchen Anschlägen angeklagt sind, sagte der jW am Freitag, die Vorsitzende Richterin habe seinem Antrag zugestimmt, nicht nur Juncker und Santer vorzuladen, sondern auch den ehemaligen Justiz- und jetzigen Finanzminister Luc Frieden sowie Geheimdienstbeamte. Er rechne damit, daß das Gericht am Mittwoch die Reihenfolge der Ladungen bekanntgibt.

In der vergangenen Woche schon hatte Vogel »Top secret«-Dokumente aus dem Jahre 1985 vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß der damalige Premierminister Santer über bevorstehende »Stay behind«-Übungen informiert war. Und am Donnerstag berichtete RTL-Radio Lëtzebuerg, im Januar 2006 seien SREL-Direktor Marco Mille und zwei seiner Mitarbeiter mit Juncker und Justizminister Frieden zusammengekommen. Sie hätten sie darüber unterrichtet, daß eine der luxemburgischen »Stay behind«-Gruppen die Anschläge verübt habe. »Weder Juncker noch der Minister haben diese Informationen an die Justiz weitergegeben«, sagte Vogel. »Auch im luxemburgischen Recht heißt das ›Nichtanzeige einer Straftat‹ und wird streng geahndet.«

RTL berichtete weiter, in den der heutigen SREL zugespielten Dokumenten gehe es auch
um riesige Summen Schwarzgeld auf Luxemburger Banken, Tarnfirmen und Brüsseler
Geheimlogen. Der frühere Präsident der Kontokammer (Rechnungshof), Gérard Reuter,
der nach eigenen Worten beim Geheimdienst aus- und einging und auch dessen Etat
genehmigen mußte, bestätigte in dem Sender die »Stay behind«-Aktionen. Der US-Geheimdienst CIA habe damals, so fügte Reuter hinzu, Aktionen zur Zurückdrängung des Kommunismus gefordert. Zur Zeit der Anschläge sei übrigens der italienische P2-Faschist Licio Gelli, der beste Kontakte zur »Stay behind«-Infrastruktur gehabt habe, in Luxemburg gewesen.

Reuter sagte weiter, die Miete seiner Wohnung in Niederkerschen habe erst der SREL, später die private Sicherheitsfirma »Sandstone« bezahlt, in der ein früherer Geheimdienstler Aktionär ist. Das alles sei offenbar mit Wissen der Regierung geschehen, um sich seines Schweigens zu versichern. Heute wolle er jedoch nicht
länger den Mund halten.

Vor dem Kriminalgericht hatte vergangene Woche der Duisburger Historiker Andreas Kramer unter Eid ausgesagt, sein Vater Johannes Kramer sei hochbezahlter Agent des Bundesnachrichtendienstes (BND) gewesen und habe die Luxemburger Attentate im Auftrag der NATO koordiniert. Er sei auch Organisator des Bombenattentates vom 26. Oktober 1980 auf das Münchner Oktoberfest gewesen. Sein Vater habe ihm erzählt, daß in die Luxemburger Attentate neben dem SREL und dem BND auch der britische Auslandsgeheimdienst MI 6 verwickelt war.

Nicht nur die Luxemburger Justiz scheint fest entschlossen zu sein, die Urheber der Bombenanschläge zur Verantwortung zu ziehen. Auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuß, der zu der Bombenleger-Affäre ermittelt, greift durch: Am 3. Januar ließ er das Archiv des SREL von der Polizei versiegeln. Mittlerweile wurde bekannt, daß der Geheimdienst schon vor Jahren im Senniger Schloß ein zweites, geheimes Archiv eingerichtet hatte.




 

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Mai 2013 - Strafanzeige wegen Bombenanschlag

Nachdem sich deutlich zeigt, dass die politischen Verantwortlichen im saarländischen Landtag kein Interesse haben Ermittlungen wegen eines Kapitalverbrechens aufzunehmen haben wir uns ans BKA gewandt. Das BKA hat uns empfohlen Strafanzeige beim LKA oder bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Dies werden wir in den kommenden Tagen tun, vor allem im Hinblick darauf, dass es neue Fakten und Zusammenhänge gibt. Es wurden im Vorfeld des Sprengstoffanschlags auf das PDS Büro 18 Bombenanschläge im 80 km entfernten Luxemburg verübt. Nur wer das Ganze sieht kann auch das einzelne erkennen. Bernd Rausch, Initiative Zivilcourage

Omertà statt Zivilcourage - Unsere Bitte an die saarländischen Abgeordneten (Brief an Abgeordneten vom 14.1.2013 und wiederum vom 15.1.2013) wurde von allen ignoriert, ebenso von den politisch Verantwortlichen der Landeshauptstadt Saarbrücken. Wir hatten u.a. geschhrieben: "Wir hoffen, dass Sie, die Politiker und Politikerinnen im Saarländischen Landtag und in der Landeshauptstadt, unser Anliegen unterstützen. Um die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen und das Buchprojekt zu realisieren, benötigen wir Spenden. Wir bitten Sie Ihre Spenden auf das Konto von Rechtsanwalt Robin Sircar zu überweisen. Konto 90 014 382 BLZ 590 501 01 Sparkasse Saarrücken, Kennwort: Beethovenstraße" Wir halten unser Anliegen weiterhin aufrecht. Noch immer benötigen wir rechtliche, politische und materielle Unterstützung um die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen.

Anzeige wegen eines Kapitalverbrechens

Der Anschlag, der am 19.11.1990 auf das Wahlkampfbüro der Linke Liste/PDS
verübt werden sollte, konnte bisher nicht aufgeklärt werden. Bei dem versuchten Anschlag sollten bis zu 35 Personen ermordet werden. Die Ermittlungen wurden damals spur- und glanzlos eingestellt

Während des Bundestagswahlkampfs 1990 deponierten Attentäter unter der
Eingangstreppe zum Wahlkampfbüro der PDS in der Saarbrücker
Beethovenstraße eine Bombe. Zum Zeitpunkt der Detonation hätten sich ca.
35 Personen im Wahlkampfbüro aufgehalten. Der Generalbundesanwalt, der
sich eigentlich für zuständig erklärte, lehnte dennoch die Ermittlung 7
Tage danach ab mit der Begründung: „Zwar liegt eine versuchte Katalogtat
nach 129a Abs. StGB vor, es sind aber keinerlei Anhaltspunkte gegeben, daß
die Tat von mehr als zwei Personen und damit von einer Vereinigung
begangen wurde, die sich die Begehung von Straftaten nach 129a Abs. 1 StGB
zum Ziel gesetzt hat. ...“

Als potentiell Betroffener und Vertreter der Nebenklage läßt mir der
versuchte Bombenanschlag bis heute keine Ruhe.

In den letzten Jahren kristallisierten sich mögliche Zusammenhänge heraus,
die zu dieser Anzeige führen.

Erste Parallele: Bereits damals (1990) unmittelbar nach dem Anschlag
zeigte sich ein Zusammenhang zum Attentat auf dem Münchener Oktoberfest

Zweite Parallele: die Ereignisse im Zusammenhang mit den NSU-Morden und
die Brandanschläge in Völklingen gegen türkischstämmige Bürger weisen das
gleiche Muster auf, das sich auch unmittelbar nach dem Attentatsversuch
auf das PDS Wahlkampfbüro zeigte. In allen Fällen ist offensichtlich, dass
die Staatsbehörden die Opfer und die potenziellen Opfer und deren Umfeld
zu Tätern machen wollten.

In den letzten Wochen bildete sich eine Struktur heraus, welche meines
Erachtens die Aufnahme neuer Ermittlungen zwingend macht. Ich zitiere den
Beitrag von Telepolis, denn daraus ergibt sich ein dichtes Netz, das zu
den Attentätern führen kann. (weitere Beiträge im Anhang).


Telepolis heise news

16.04.2013 Markus Kompa
BND-Schattenmann Kramer in tödlicher Mission?
Interview mit dem Stay-Behind-Forscher Daniele Ganser zu den aktuellen
Enthüllungen in Luxemburg
Letzte Woche belastete der Zeuge Andreas Kramer vor einem Luxemburger
Gericht seinen verstorbenen Vater, den offenbar für den BND tätigen
Johannes Karl Kramer, in den 1970er und 1980er Jahren Drahtzieher der
scheinbar linksterroristischen Anschläge in Bologna, beim Münchener
Oktoberfest und in Luxemburg gewesen zu sein. Der rechtskonservative
Schattenmann Kramer soll dabei eigenmächtig Strukturen des von der NATO
aufgebauten paramilitärischen Stay-Behind-Netzwerks missbraucht haben.
Hierzu haben wir den Stay-Behind-Forscher, Historiker und Gründer des
Swiss Institute for Peace and Energy Studies Dr. Daniele Ganser um seine
Einschätzung gebeten.
Bei Ihrer Dissertation von 2005 über Stay Behind bzw. Gladio, die 2008
auch in deutscher Sprache verlegt wurde (NATO – Geheimarmeen in Europa),
stießen Sie bei etlichen offiziellen Anfragen auf Schweigen. Wie hat sich
der Forschungsstand seither entwickelt?
Dr. Daniele Ganser: Der Forschungsstand unterteilt sich heute in einen
Bereich, der völlig klar ist, und einen anderen Bereich, wo noch viele
Unklarheiten bestehen. Zuerst zum klaren Bereich: Es ist heute völlig klar
und bewiesen, dass die NATO im Kalten Krieg Stay-Behind-Geheimarmeen
unterhielt, ausgerüstet mit geheimen Waffenlagern. Klar ist auch, dass in
allen beteiligten Ländern der nationale Geheimdienst involviert war und
direkt mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA und dem britischen
Geheimdienst MI6 kooperierte. Klar ist zudem, dass sich die
Stay-Behind-Armeen auf eine Invasion durch die Sowjetunion vorbereiteten.
Das ist ein Fortschritt für die historische Forschung. Diese Punkte waren
vor 25 Jahren noch völlig unbekannt.
Schwierig und umstritten hingegen ist die Quellenlage hinsichtlich der
Verbindungen der Geheimarmeen zu Terroranschlägen, zur rechtsextremen
Szene, zu Staatsstreichen und zu Folter. Hier muss man von Land zu Land
und von Fall zu Fall ganz genau unterscheiden. Da braucht es sicher noch
einige Jahre oder Jahrzehnte, bis Klarheit geschaffen werden kann. Wir
haben Quellen, die sagen, in der Türkei sei die Geheimarmee in Folter und
Staatsstreiche involviert gewesen. Wir haben Quellen, die sagen, in
Deutschland seien Rechtsextreme in die Geheimarmee integriert gewesen. Wir
haben Quellen, die sagen, in Italien, Belgien und Frankreich und anderen
Ländern habe die Geheimarmee Terroranschläge ausgeführt.
Das Problem ist aber, dass sich die NATO weigert, zum Thema Stellung zu
beziehen. Ich habe vor vielen Jahren über die Schweizer Botschaft die NATO
um Auskunft zum Thema Stay Behind gebeten. Vergeblich. Auch die CIA und
der MI6 mauern. Ich habe vor vielen Jahren über das
Freedom-of-Information-Gesetz (FOIA) in den USA die Herausgabe von
CIA-Dokumenten zu Stay Behind verlangt, doch ohne Erfolg. Zuerst wurde
meine Anfrage abgewiesen. Als ich Berufung einlegte, wurde sie angenommen,
aber auf die lange Bank geschoben. Weder die NATO noch die CIA klären die
betroffenen Demokratien über die Geheimarmeen auf. Die meisten Menschen
wissen auch heute nicht, dass es NATO-Geheimarmeen gab. Das bedeutet für
mich als Historiker: Es braucht weiterhin Forschung zu der delikaten
Frage, ob die NATO und die CIA in Terroranschläge in Europa verstrickt
waren.
Lügende Politiker
Aktuell wird in Luxemburg eine Staatsaffäre vor Gericht verhandelt, die
eine Menge Staub aufgewirbelt hat. So wurde Jacques Santer, der 1990 zwar
Kenntnis von Stay Behind eingeräumt, jedoch sogenannte "Übungen" mit
ausländischen Diensten abgestritten hatte, durch einen geleaktes Dokument
in Verlegenheit gebracht. Was war bisher über die Rolle des Luxemburger
Geheimdienstes bekannt?
Dr. Daniele Ganser: Man wusste seit 1990, dass die NATO auch in Luxemburg
eine Geheimarmee unterhielt, und dass diese durch den SREL, den
Geheimdienst in Luxemburg, koordiniert wurde. Angenommen werden konnte
auch, dass es internationale Kooperation gab. Das entspricht dem
europäischen Muster. Als 1990 in Italien Premierminister Andreotti die
Geheimarmee Gladio in Italien als erster enthüllte, waren auch andere
Länder gezwungen, das Geheimnis zu lüften.
Damals war Jacques Santer Premierminister in Luxemburg. Vor dem Parlament
sagte er 1990: "Ich kann sagen, dass ich persönlich keine Kenntnis von der
Existenz des Netzwerks hatte, und genau wie der Premierminister in Belgien
war ich sehr überrascht, als ich davon erfuhr. Ich glaube nicht, dass ein
anderes Regierungsmitglied dessen Existenz vermutet haben könnte."
Doch jetzt, 23 Jahre später, wird durch den laufenden Prozess klar, dass
Santer log. Ein Dokument aus dem Jahre 1985, unterzeichnet von Charles
Hoffmann, dem Chef des Geheimdienstes SREL, zeigt, dass Santer sehr wohl
um die Existenz der Geheimarmee wusste. Die Aufarbeitung der Geschichte
der NATO-Geheimarmeen ist daher so kompliziert, weil immer wieder auch
hohe Regierungsvertreter wie Premierminister Falschaussagen zum Dossier
machen. Das erschwert die Arbeit für uns Historiker. Zudem schädigt es das
ohnehin schon angeschlagene Vertrauen der Bevölkerung in die Ehrlichkeit
der Politiker.
Bei den Untersuchungen zu den Bombenanschlägen Mitte der 1980er Jahre
verschwanden etliche Beweismittel. Umgekehrt deutet vieles darauf hin,
dass die Täter detaillierte Insiderkenntnisse hatten, etwa wussten, welche
Strommasten bewacht wurden. Die meisten Anschläge wurden offenbar genau um
23.30 Uhr ausgeführt. Verhalten sich so echte Terroristen?
Dr. Daniele Ganser: Was bei den Terroranschlägen in Luxemburg auffällt,
ist, dass niemand getötet wurde. Scheinbar wollte man der Bevölkerung nur
einen großen Schrecken einjagen. Es ist für mich noch nicht geklärt, wer
die Verantwortung für diese Terroranschläge trägt. Wenn wir als These
annehmen, dass es die NATO-Geheimarmee war, und ihre Helfer in Luxemburg,
dann war dies zwar ein Verbrechen, aber man muss den Akteuren auch
anrechnen, dass sie niemanden töteten. In anderen Ländern wie Belgien und
Italien, wo die Geheimarmeen im Verdacht stehen, mit Terroranschlägen auch
Menschen getötet zu haben, ist die Aufklärung der Verbrechen viel
schwieriger.
Diese Woche wurde unter anderem eine angebliche Mitgliederliste des
Luxemburger Stay-Behind-Netzwerks geleakt. Halten Sie das Dokument für
echt?
Dr. Daniele Ganser: Ich habe das Dokument gesehen. Es ist gut möglich,
dass es echt ist, aber sicher kann man da nie sein. Auch da muss man
weiter forschen. Woher kommt das Dokument? Was sind die Nachnamen der
Personen, welche ja auf der Liste so durchgestrichen sind, dass man nur
die Vornamen lesen kann? Danach müsste man sehen, ob die Menschen noch
leben, oder ihre Kinder - und die befragen. In Schweden zum Beispiel haben
einige Kinder von verstorbenen Stay-Behind-Agenten interessante Aussagen
gemacht. Diese Kinder sind ja inzwischen Erwachsene und versuchen zu
verstehen, was ihre Väter in der Geheimarmee überhaupt machten.
Mitte der 1980er Jahre soll in Luxemburg kein Geringerer als CIA-Agent
Licio Gelli gelebt haben, der in Italien die Geheimloge Propaganda Due
kontrolliert hatte. Gelli wird mit dem Anschlag in Bologna in Verbindung
gebracht und soll von 1984 bis 1986 in Luxemburg untergetaucht und sogar
eine luxemburgische Sozialversicherungsnummer besessen haben. Wie passt
das ins Bild?
Dr. Daniele Ganser: Licio Gelli ist in Italien eine bekannte Figur. Er hat
gegen die Kommunisten gekämpft und war stets davon überzeugt, dass auch
verdeckte Mittel in diesem Kampf eingesetzt werden müssen. Für ihn war der
Kalte Krieg ein heißer Krieg, in dem es auch in Europa Tote geben musste,
weil das eben die Natur des Krieges ist. Was aber Gelli in Luxemburg
machte (und ob er etwas mit dem Terror in Luxemburg zu tun hat) weiß ich
nicht.
In dem Prozess trat diese Woche der ungewöhnliche Zeuge Andreas Kramer
auf, der behauptet, sein Vater Johannes Karl Kramer sei ein BND-Mann einer
abgeschirmten "Abteilung 4" gewesen, der Gladio-Aktionen mit Diensten u.a.
in den Benelux-Ländern koordiniert haben soll. Kramer senior und Hoffmann
hätten dem "Allied Clandestine Committee (ACC)" angehört, das auch in
Ihrem Buch beschrieben wird. Was halten Sie von der Geschichte?
Dr. Daniele Ganser: Die Geschichte ist interessant. Ich habe Andreas
Kramer auch in der Schweiz getroffen, als er seine Geschichte der
Schweizer Zeitung Tageswoche erzählte. Nun muss man die Kramer Geschichte
mit Quellen prüfen, die von Kramer unabhängig sind, um herauszufinden, was
wahr ist. Ideal wären natürlich schriftliche Dokumente, aber die sind
selten in diesem Gebiet. Er sagt ja, sein Vater Johannes Kramer habe beim
BND gearbeitet und sei dort für die Stay-Behind-Operationen zuständig
gewesen. Nun müsste der BND Dokumente vorlegen und über die eigene
Stay-Behind-Geschichte berichten.
Aber ebenso wie die CIA hat der BND seit 1990 immer wieder gemauert. Man
will bis heute nicht über die NATO-Geheimarmeen sprechen, vor allem nicht
über die Verbindung zu Terror und die Präsenz von Rechtsextremen in der
Geheimarmee. Und dies, obschon das EU-Parlament schon 1990 eine Aufklärung
über die NATO Geheimarmeen forderte. Die Sache ist brisant, weil Andreas
Kramer behauptet, die deutsche Stay-Behind-Armee habe den Terroranschlag
1980 auf das Münchner Oktoberfest ausgeführt und sein Vater sei direkt
beteiligt gewesen. Wenn das stimmt, geht es hier um Staatsterrorismus. Das
muss untersucht werden, so viel steht fest. Kramer behauptet auch, sein
Vater sei in die Terroranschläge in Luxemburg involviert gewesen. Nicht
nur das Gericht in Luxemburg, sondern auch Journalisten und Historiker
fragen sich nun: Stimmt das alles? Ich weiß es nicht. Aber prüfen muss man
es auf jeden Fall.
Macht es nach NATO-Logik Sinn, inszenierte Attentate mit Sprengfallen nach
Luxemburg zu verlegen, weil dort die Haager Landkriegsordnung damals noch
nicht galt?
Dr. Daniele Ganser: Das macht für mich wenig Sinn. Jene, die
Terroranschläge in Auftrag geben und sie ausführen, kümmern sich nicht um
die Rechtslage.
"Man muss im Auge behalten, dass die NATO mächtig ist"
Schattenmann Kramer soll eigenmächtig seinen Vorgesetzten, den
Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte Europa Mitte (CINCENT, NATO),
General Leopold Chalupa, hintergangen haben. So soll Kramer mit den
Attentaten in Bologna und München zu tun gehabt haben, welche die
Kommunisten in Misskredit bringen sollten. Ließe sich diese Darstellung
mit dem Stand der Forschung in Einklang bringen?
Dr. Daniele Ganser: Die Forschung kann bestätigen, dass die NATO
Geheimarmeen unterhielt. Die Forschung kann auch bestätigen, dass diese
Geheimarmeen über die zwei geheimen NATO-Kommandostrukturen Allied
Clandestine Committee ACC und Clandestine Planning Committee CPC
koordiniert wurden. Das wissen wir von Offizieren des italienischen
Militärgeheimdienstes, die an den ACC und CPC Sitzungen teilnahmen. Die
NATO führte die Geheimarmeen, das ist klar.
Wir wissen, dass 1990 Ramond Van Calster, der Chef des belgischen
militärischen Geheimdienstes SGR die ACC Sitzung leitete. Auch der höchste
NATO-General, der Supreme Allied Commander Europe, SACEUR (immer ein
Amerikaner übrigens) hat 1990 die Existenz des Stay-Behind-Netzwerkes
bestätigt, das war damals SACEUR John Galvin.
Über die Rolle von General Chalupa weiß ich nichts. Dass er über die
Existenz der Stay-Behind-Armee informiert war, ist wahrscheinlich. Ob
Johannes Kramer außerhalb der NATO-Kommandokette 1980 die Terroranschläge
von Bologna und München durchführen ließ, muss sorgfältig geprüft werden.
Man muss im Auge behalten, dass die NATO mächtig ist, sie ist die größte
Militärallianz der Welt, sie hat Gaddafi in Libyen gestürzt, führt Krieg
in Afghanistan und hat 1999 Serbien bombardiert. Wenn Journalisten,
Historiker und Gerichte die brisante These bestätigen könnten, dass die
NATO in Europa in Terroranschläge verwickelt war, dann wäre die
Glaubwürdigkeit der größten Militärallianz der Welt völlig erschüttert.
Man muss hier also sehr präzise recherchieren, es geht ums nichts weniger
als um die Glaubwürdigkeit der NATO.
Laut dem Zeugen soll SREL-Chef Charel Hoffmann die zunehmenden
Eigenmächtigkeiten des BND-Schattenmannes nicht mehr gebilligt und bei den
Amerikanern um Hilfe gebeten haben. Diese jedoch scheinen Kramer zwar
nicht angefasst zu haben, allerdings hörten die Attentate 1986 schlagartig
auf. Wäre dies eine plausible Erklärung für das Ende der Anschläge?
Dr. Daniele Ganser: Ich weiß nicht, warum die Anschläge in Luxemburg 1986
aufhörten. Der Einfluss der USA auf die Terroranschläge in Europa ist bis
heute nicht geklärt, auch nicht auf die Anschläge in Luxemburg. In Italien
gab es 1969 einen Anschlag in Mailand auf der Piazza Fontana mit 17 Toten.
2001 erklärte der angeklagte italienische Geheimdienstgeneral Giandelio
Maletti vor einem italienischen Gericht, die CIA habe in Italien
Rechtsextreme angeworben und diese hätten den Terroranschlag ausgeführt.
Maletti deutete damit an, die USA hätten in Europa Terroranschläge verübt.
Auch der italienische Senat kam bei seinen Untersuchungen zu der
Geheimarmee Gladio zu diesem Resultat. Aber auch heute ist es sehr
schwierig, über Staatsterrorismus zu forschen und zu sprechen. Fragen Sie
mal ihren besten Freund, ob er sich vorstellen kann, dass die USA im
Kalten Krieg in Europa Terroranschläge durchführen ließen? Die meisten
halten das für völlig verrückt. Die historischen Daten deuten aber in
diese Richtung, auch wenn man es nicht beweisen kann.
Obwohl der Fall in Luxemburg alles bietet, was die Presse interessieren
könnte (wie Hochadel, Sex-Skandale, Bomben, Geheimagenten, Vertuschung
usw.), erfährt der Fall in der deutschen Presse kaum Aufmerksamkeit,
während zur Verkündung der Lockerung des Bankgeheimnisses diese Woche
sogar TV-Teams geschickt wurden. Haben Sie eine Erklärung?
Dr. Daniele Ganser: Über die NATO Geheimarmeen und mögliche Verbindungen
zu Rechtsextremen und Terroranschlägen will man in Deutschland nicht
sprechen. In anderen Ländern übrigens auch nicht. Es ist ganz klar, dass
der Gerichtsprozess in Luxemburg über das Land hinausreicht und
internationale Dimensionen hat, auch wenn noch nicht klar ist, was am
Schluss herauskommt.
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Wenn die damaligen Spitzenpolitiker der saarländischen SPD Landesregierung Oskar Lafontaine, Friedel Läpple, Reinhard Klimmt und die für die Geheimdienste im Landtag zuständigen Politiker, sowie die Verantwortlichen des VS und des BND unter Eid zur Tat und dem möglichen Tatumfeld befragt
würden, wäre es sehr wahrscheinlich, dass das Kapitalverbrechen bald möglichst aufgeklärt würde.

 


 

 

 

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