Rechtsextremisten in Ungarn
"Kommt raus, Zigeuner, heute werdet ihr sterben!"

Aus Gyöngyöspata berichtet Björn Hengst Roma in Ungarn: Angst vor Rechtsextremisten

Sie drohen, prügeln, verbreiten Hasstiraden: Rechtsradikale Milizen jagen Roma in einem ungarischen Dorf Angst und Schrecken ein. Der Ort Gyöngyöspata ist Symbol für gescheiterte Minderheiten-Politik geworden. Jetzt patrouilliert die Polizei - aber die Opfer fürchten neuen Terror.

Aus Datenschutzgründen wird Ihre IP-Adresse nur dann gespeichert, wenn Sie angemeldeter und eingeloggter Facebook-Nutzer sind. Wenn Sie mehr zum Thema Datenschutz wissen wollen, klicken Sie auf das i.

Gyöngyöspata - Ein Haufen Reis klebt noch auf dem Teller, der auf dem dunkelbraunen Esstisch steht, die Sauce ist angetrocknet. Zum Spülen war keine Zeit mehr, hier wollte jemand einfach nur schnell weg. Die Tür zu der Wohnung in Gyöngyöspata, rund 80 Kilometer nordöstlich von Ungarns Hauptstadt Budapest, steht weit offn. Normalerweise lebt hier eine Roma-Familie, sie hat vor Tagen das Weite gesucht.

ANZEIGE
Gyöngyöspata, der Name liest sich wie aus einem Schauspiel der Augsburger Puppenkiste. Djöndjöschpata wird er ausgesprochen. Aber märchenhaft ist das Leben in dem 2800-Einwohner-Dorf nicht, um das zu erkennen, muss man nur Gyözö Bada anschauen. Sein rechtes Auge ist rot und geschwollen, auf der Wange hat er eine zentimeterlange Wunde. "Kommt nur raus ihr Zigeuner, heute Abend werdet ihr sterben" - an diese Drohung rechtsextremer Milizionäre erinnert sich der 13-jährige Roma-Junge noch, irgendwann war er bewusstlos. Er kann immer noch nicht wieder richtig sehen, bald muss er wieder zum Augenarzt.

Mit Steinen und Knüppeln sollen die Männer am vergangenen Dienstag plötzlich vor einem Roma-Haus in dem Dorf aufgelaufen sein. Ungarischen Zeitungen berichten, nach der Attacke auf Gyözö Bada sei die Situation eskaliert. Es folgten heftige Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und den Roma, von mehreren Verletzten ist die Rede. Manche der rund 450 Roma in Gyöngyöspata haben ihren Heimatort verlassen und sind bei Freunden oder Verwandten untergekommen.

Die Version der Rechtsextremisten geht so: Es seien die Roma gewesen, die seine Männer angegriffen hätten, sagt Támas Eszes, Anführer der "Vederö", was so viel wie Schutzmacht bedeutet.

Rechtsradikale Milizen in Uniform

Sicher ist, dass rechtsradikale und paramilitärische Gruppierungen immer wieder in das Dorf kamen, um die Roma einzuschüchtern. Bereits am 18. März berichtete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International von beunruhigenden Vorgängen. Milizen in Uniform seien durch Gyöngyöspata marschiert, sie hätten Roma-Bewohner mit Waffen und Hunden bedroht. Auch an den Osterfeiertagen marschierten "Vederö"-Leute im Ort auf. Ein paramilitärisches Training hatte die Miliz angekündigt, rund 300 Roma ließen sich vom Roten Kreuz in Sicherheit bringen.

Von einer Evakuierung wollte die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban jedoch nichts wissen. Es habe sich vielmehr um eine lange geplante "Osterfahrt" gehandelt, sagte ein Orban-Sprecher. Der nationalkonservativen Orban-Regierung, die ihre Partner in der Europäischen Union zuletzt mit einer neuen und umstrittenen Verfassung irritierte, wird von Kritikern vorgeworfen, die rechtsextremen Umtriebe zu lange stillschweigend geduldet zu haben. 2008 und 2009 gab es in Ungarn mehrere blutige Angriffe auf Roma, in Budapest müssen sich mutmaßliche Rechtsextremisten gerade wegen sechsfachen Mordes vor Gericht verantworten.

In Gyöngyöspata patrouillieren nun Dutzende Polizisten, bereits am Ortseingang kontrollieren sie Besucher, überall im Dorf sind ihre Fahrzeuge zu sehen. Die Roma fühlen sich dennoch nicht sicher: "Irgendwann verschwindet die Polizei wieder, dann geht alles von vorne los", sagt eine. Brigitta Vanger meint: "Das ist die Hölle hier."

Derzeit halten sich die Rechtsextremisten angesichts der Polizeipräsenz auf den Straßen zurück, über ihre Haltung plaudern sie aber offen, wenn Journalisten danach fragen: "Die Zigeuner waschen sich nicht, haben Läuse und klauen", sagt ein Glatzkopf von seinem Balkon aus. "Jobbik" steht auf seinem T-Shirt. Die rechtsextreme Partei wurde bei der Wahl im vergangenen Jahr mit knapp 17 Prozent ins Parlament katapultiert. Zu verdanken hatte sie das unter anderem ihrer offenen Hetze gegen die Roma, die in Ungarn die größte ethnische Minderheit bilden.

"Die leben wie die Tiere"

Auch bei den anderen Bürgern von Gyöngyöspata sind die Roma nicht beliebt. "Die leben wie die Tiere", sagt eine 50-jährige Frau, die nur ihren Vornamen Ildiko preisgeben will. Sogar die stellvertretende Bürgermeisterin Piroska Matalik, die es sich im Bürgerhaus auf einem roten Sofa bequem gemacht hat, hält offenbar nicht viel von Diplomatie: Die Roma würden andere Leute belästigen, sagt sie, und schickt dann eine politisch korrekte Absichtserklärung hinterher: Man wolle versuchen, die Roma besser zu integrieren.

Davon kann bisher kaum eine Rede sein, in Gyöngyöspata und anderswo. Meist fehlt der Kontakt mit der Mehrheitsbevölkerung, die Arbeitslosigkeit unter den Roma ist sehr hoch, einen Schulabschluss schaffen viele erst gar nicht - oft auch deshalb, weil die Schule in Roma-Familien keinen hohen Stellenwert genießt. Stattdessen laufen die Kinder auf den Straßen herum.
In Gyöngyöspata leben die Roma fast ausnahmslos am Ortsrand, "Zigeunerstraßen", sagen viele Leute, und deuten auf die Häuser mit bröckelndem Putz und löchrigen Dachziegeln. Das Dorf ist jetzt zu einem Symbol für eine verfehlte Roma-Politik geworden. Jahrelang kümmerten sich Ungarns Politiker nicht um die Minderheit, die Rechtsextremisten profitierten schließlich davon. Die provozierenden Auftritte von paramilitärischen Gruppen werden von vielen Nicht-Roma begrüßt.

Die Atmosphäre im Dorf ist gespenstisch: Viele Bürger haben auch tagsüber die Jalousien heruntergelassen. Wegen der Sonne, sagen die einen. Wegen des Windes, die anderen. Es ist aber weder heiß noch stürmisch in dem Ort, eher wirkt es, als schotteten sich die Menschen gezielt ab.

Die Kirche in Gyöngyöspata versucht verzweifelt, dem Hass etwas entgegenzusetzen, ruft zum Miteinander auf: "Wir bitten Gott, dass in unseren Alltag Frieden, Liebe, Ehre und Ruhe zurückkehren", heißt es auf einem Plakat. Der Rechtsextremist und "Vederö"-Anführer Támas Eszes hat davon ein ganz eigenes Verständnis: Er will für die kommende Bürgermeisterwahl kandidieren.

Mitarbeit: Gina Böni

Förderverein Roma e. V., Stoltzestraße 17, 60311 Frankfurt am Main, 069/440123 AB
foerderverein.roma@t-online.de www.foerdervereinroma.de

Der Förderverein Roma lädt anlässlich des 67. Jahrestages der
Liquidation des "Zigeunerlagers" Auschwitz zu einer Kundgebung am 2.8.2011 um 18.30 Uhr in die
Braubachstraße 18-22, ehemaliges
Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main, ein

In einem unvergleichbaren Akt wurden am 2.8.1944 2800 Roma und Sinti bei der Auflösung des "Zigeunerlagers" Auschwitz ermordet. Diese Aktion bildete gleichsam die Spitze der Erfassung, Verfolgung und Vernichtung der Roma und Sinti während des Nationalsozialismus. Bereits in den 30er Jahren wurden in enger Kooperation zwischen dem "rassehygienischen Institut" des Reichssicherheitshauptamtes, verschiedenen Kriminalämtern sowie städtischen und kirchlichen Einrichtungen alle Roma und Sinti
erfasst, vermessen, in Lagern inhaftiert und schließlich in Vernichtungslager deportiert. Etwa eine halbe Million Roma und Sinti
wurden ermordet. Eva Justin und Robert Ritter waren als maßgebliche "NS-Rasseforscher"
verantwortlich für den Mord an über 20.000 deutschen Roma und Sinti.
Trotz ihrer Verbrechen wurden sie nicht strafrechtlich belangt und nach 1945 von der Stadt Frankfurt im Sozial- und Gesundheitsamt in leitenden Positionen beschäftigt. Eva Justin hatte im Rahmen ihrer Tätigkeit und
im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main erneut mit Roma und Sinti, d. h. mit Überlebenden und deren Kindern, zu tun. Der jahrelange Protest der Roma-Union Frankfurt, des Förderverein Roma und vieler UnterstützerInnen ermöglichte am 27.1.2000 die Anbringung einer Gedenktafel am Stadtgesundheitsamt, dem ehemaligen Tätigkeitsfeld von Ritter und Justin. Die Tafel, die ausschließlich von Spendengeldern
finanziert wurde, erinnert an die begangenen Verbrechen, bezeichnet die Täter und klagt die Verantwortung gegenüber Roma und Sinti auch nach 1945 ein.
Zurzeit befindet sich die Tafel aufgrund der Bauarbeiten am ehemaligen Stadtgesundheitsamt und zukünftigen Verwaltungsgebäude des Börsenvereins des deutschen Buchhandels im "Asyl" in der Geschäftsstelle des Förderverein Roma. Der Träger wird erneut nachdrücklich darauf hinweisen, dass im Einvernehmen mit dem Börsenverein und dem Kulturamt
der Stadt Frankfurt eine Vereinbarung im Römer getroffen wurde, die Mahn- und Gedenktafel nach Beendigung der Renovierungstätigkeiten wieder an historischem Platz anzubringen!

Ffm., den 25.7.2011

April 2011 - Ende des Wintererlasses – massenweise Abschiebungen von Roma - Von bundesweite Kampagne "kein mensch ist Illegal"

Die ersten Frühlingsstrahlen bringen leider keine guten Nachrichten: Der Wintererlass, ein befristeter Abschiebestopp für Serbien und Kosovo für Roma und andere Minderheieten ist am 31.03. 2011 ausgelaufen.

Nun wird wieder nach Serbien, Kosovo (... und zusätzlich Mazedonien ...) abgeschoben – und zwar massiv, keine fünf Tage nach Ende des Erlasses! .
Für die betreffenden Termine und die entsprechenden Hintergrundinformationen stehe ich gerne als Ansprechpartnerin ( ... am 05.04.2011 auch vor Ort in Düsseldorf ... ) zur Verfügung.
Auch aus der aktuellen Beratungsarbeit des Rom e.V. sind wieder einmal Menschen akut von Abschiebung an diesen Abschiebungsterminen bedroht!

Protest Di 5. April 2011 - kommt zum Flughafen Düsseldorf 10h - Abflughalle B bringt Transparente, Flyer und Lärm

Abschiebecharter am Di 5.12. nach Belgrad, Serbien Di 12.4. nach Pristina, Kosovo.
Betroffen sind jeweils zwischen 100 und 150 Personen, vor allem Roma aus NRW.

Bis zum 31. März galt der Wintererlass des NRW-Innenministeriums. Ein zeitlich befristeter Abschiebestopp für Roma und andere Minderheiten. Als Begründung galt die „verschärften wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in der Winterzeit“.

Mit dem Erscheinen der ersten Frühlingsknospen werden diese Bedenken nun weggewischt: Es wird wieder abgeschoben – und zwar massiv, keine fünf Tage nach Ende des Erlasses, nach Serbien, Kosovo und Mazedonien. Menschen, die teilweise seit Jahren in Deutschland leben, Kinder, die hier geboren wurden, sollen in eine ungewisse Zukunft, ins Elend abgeschoben werden.

Deutschland steht in besonderer Verantwortung gegenüber den Roma. Über 500.000 Roma und Sinti wurden während der Nazi-Herrschaft ermordet. Der Krieg gegen Jugoslawien, den Deutschland durch seine Politik maßgeblich vorangetrieben hat, führte zu massenhafter Flucht von ethnischen Minderheiten aus dem Kosovo. Darüber hinaus ist jede Abschiebung Ausdruck einer rassistischen und kapitalistischen Logik, die den Wert eines Menschen an seiner Staatsangehörigkeit fest macht.

Wir sagen nein zu Abschiebungen und fordern Solidarität mit den Betroffenen. Alle Menschen sollen leben und sich frei bewegen können, dort wo es ihnen gefällt! Das ganze Bleiberecht für alle! - Wer bleiben will soll bleiben!

Ein Urteil des BverfG bestätigt, dass Demonstrationen in Flughäfen rechtmäßig sind. Lasst uns dieses auch durchsetzen!.
Kommt zum Flughafen Düsseldorf, 10h, Abflughalle B.
Mit Lärm, Transparenten und Flyern wollen wir die Fluggäste auf die zeitgleich am Gate F stattfindende Abschiebung aufmerksam machen.

Kein Mensch ist illegal! Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie!
www.alle-bleiben.info/info-news.htm

14.8.2010 Massenabschiebungen - Vereinte Nationen warnen vor staatlichem Rassismus in Frankreich - Ein UN-Ausschuss zur Diskriminierung in Genf hatte sich diese Woche mit Frankreichs Umgang mit Sinti und Roma beschäftigt. Das Komitee wirft Paris in diesem Zusammenhang das „Wiederansteigen rassistischer Akte“ vor.
24.4.2011 Roma flüchten vor Ungarns Faschisten im Jahr 2011- Erinnerung an 1933

von Reinhold Schramm

EU-Ungarn 2011

Übt sich auch die schweigende ungarische Bevölkerungsmehrheit und deren EU-Regierung im Jahr 2011, in:
nichts sehen, nichts hören, nichts tun?

Ungarns Paramilitärs treffen sich über Ostern in einem Trainingslager. Im selben Ort leben mehrere Hundert Roma. Das Rote Kreuz hat am Freitag Hunderte von Roma vor den Umtrieben der ungarischen Faschisten in Sicherheit gebracht. 300 Frauen und Kinder seien mit Bussen aus dem mittelungarischen Ort Gyöngyöspata weggebracht worden.

Für das Wochenende hat eine faschistische, paramilitärische Gruppierung am Ortsrand zu einem Trainingslager eingeladen. Teilnehmer sollen in Uniformen und mit Gummigeschoss-Waffen erscheinen. Bereits im März 2011 hatte eine andere faschistische Gruppierung den 2.800-Einwohner-Ort drei Wochen lang mit Märschen terrorisiert.

Das rechtsnationalistische Mehrheitsparla-ment in Budapest hatte Mitte April 2011 ihre neue Verfassung gebilligt, die die Macht der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz festigt und Nachfolgeparteien handlungsunfähig machen soll. [1]

Es liege ihm fern, ahistorisch gleichsetzend eine Schreckensherrschaft wie die in der deutschen NS-Zeit an die Wand zu malen ... "Doch diese schnelle 'Machtergreifung', die wir jetzt erleben, lässt mich schon denken an die Atmosphäre in Deutschland Anfang 1933: Hitler kam mit etwa 40 Prozent der Stimmen demokratisch an die Macht, und am Ende des Jahres waren es schon 90 Prozent ...". [2]

Ein Leser-Kommentar: "Die ungarischen Faschisten verfügen offenbar über einen beeindruckenden PR-Stab, wenn ich mir die Kommentare hier so anschaue. Faschisten bleiben Faschisten, auch wenn sie demokratisch an die Macht gekommen sind. Und sie werden auch nicht dadurch harmloser, dass zuvor andere Personen aus anderen Parteien versagt haben. Was seit 2010 in Ungarn passiert, ist ein Rückschritt von demokratischen Strukturen hin zu totalitären Strukturen." (Phönix, in: FR am 30.01.2011)

Quelle vgl.: [1] FR, 22.4.11. Roma flüchten vor Rechtsradikalen.
www.fr-online.de/politik/roma-fluechten-vor-rechtsradikalen-/-/1472596/8369694/-/index.html

[2] FR, 27.1.2011. Die Rechtsradikalisierung von Ungarn und anderen Staaten Europas.
www.fr-online.de/kultur/debatte/keine-zone-der-freundlichkeit/-/1473340/7129632/-/index.html

Neonácizmus
Fidesz – Magyar Polgári Szövetség

Ungarn im Griff der Rechten:
www.ag-friedensforschung.de/regionen/
Ungarn/wahl2010c.html

Verfassungsputsch
Ungarn: Parlament in Budapest verabschiedet nationalistisches neues Grundgesetz, das an faschistische Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts anknüpft
Von Arnold Schölzel
Aus: junge Welt, 19. April 2011
http://www.ag-friedensforschung.de/
regionen/Ungarn/verf.html

http://unatco2007.blogspot.com/

https://secure.wikimedia.org/
wikipedia/de/wiki/Magyar_G%C3%A1rda
https://secure.wikimedia.org/
wikipedia/de/wiki/Partei_f%C3%BCr_
Ungarisches_Recht_und_Leben

Zeuge: Täter filmten Anschlag Ein Verwandter der Familie, die in der Erdgeschoss-Wohnung lebt, erzählte: "Ich hörte meinen Onkel rufen: Das Haus brennt, holt die Kinder raus." Er habe dann geholfen, die fünf Kinder der Familie aus der Wohnung zu bringen. "Ich habe zwei Männer gesehen. Einer hat was geworfen, und einer hat das mit dem Handy gefilmt." Die Wohnung, auf die der Anschlag verübt wurde, brannte aus. Die Flammen zerstörten teilweise auch das vierstöckige Haus, in dem 19 Personen gemeldet sind.

Dieser Mann soll den Brand-Anschlag verübt haben. Phantombild: Polizei Leverkusen

26.7.2011
Nach dem feigen Brandanschlag auf ein Haus der Roma-Familie G. auf der Carl-Leverkus-Straße ist die Polizei einem Tatverdächtigen auf der Spur.

Mit einem Phantomfoto wird nach einem Mann gefahndet, der am Tag vor dem Molotowcocktail-Angriff in der Nähe des Gebäudes gesehen wurde. Der Mann soll die Umgebung ausgespäht haben, filmte das Haus mit einer Kamera.

Etwa 24 Stunden später flogen Brandsätze auf das Haus, versetzten die neun Bewohner der Erdgeschosswohnung in Todesangst.

Der Gesuchte ist etwa 1,80 Meter groß und zwischen 30 und 35 Jahre alt. Er war kräftig bis muskulös gebaut.

Darüberhinaus fahndet die Polizei nach zwei weiteren Männern. Diese sollen etwas jünger gewesen sein und mit einem dunklen VW (Golf oder Polo) in Tatortnähe aufgefallen sein.

Nach anderen Zeugenhinweisen sollen insgesamt vier Männer an dem Anschlag beteiligt gewesen sein, zwei davon glatzköpfig. Womöglich ist Fremdenhass Hintergrund der Tat.

Hinweise an 0221/229-0.

zu den Texten

Ausgang
„Anlässlich einer Anhörung im Europäischen
Parlament zum Holocaust und zur Vernichtung der Roma und Sinti im Nationalsozialismus wurde die
Ausstellung Frankfurt - Auschwitz vom 11.5. bis 10.6.2010 in Brüssel gezeigt
21.6.2010 - Stoppt die Abschiebung von Roma-Flüchtlingen in den Kosovo
Bild: Roma-Unterbringung im Kosovo

25. Juli 2011 Sowas kommt von sowas oder Sarrazin?

Brandanschlag auf von Sinti und Roma bewohntes Wohnhaus

Auf ein Mehrfamilienhaus in Leverkusen ist ein Brandanschlag mit möglicherweise fremdenfeindlichem Hintergrund verübt worden. In dem Haus wohnen nach Polizeiangaben Sinti und Roma. Unbekannte hätten mehrere Brandsätze in die Erdgeschoss-Wohnung geschleudert, sagte ein Polizeisprecher.

Die Bewohner konnten sich rechtzeitig ins Freie retten und blieben unverletzt.

Nach ersten Zeugenaussagen waren es bis zu vier Täter. Von ihnen sollen zwei dunkel gekleidet und kahlköpfig gewesen sein. Nachdem die Unbekannten mehrere Brandsätze in die Wohnung geschleudert hatten, seien sie in einem Kleinwagen und einem Kleinbus weggefahren.

Die Wohnung, auf die der Anschlag verübt wurde, brannte aus. Die Feuerwehr verhinderte ein Übergreifen der Flammen auf andere Gebäudeteile. Eine Mordkommission ermittelt.

8. April 2010
Europäische Kommission für soziale Integration der Roma

Gipfeltreffen zur Lage der Roma am 8. und 9. April in Córdoba

Brüssel – Die Roma-Gemeinschaften, größte ethnische Minderheit in der Europäischen Union, sehen sich nach wie vor mit hartnäckiger Diskriminierung und Segregation konfrontiert. In einem gestern veröffentlichten Bericht fordert die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, EU-Mittel für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Integration der Roma zu nutzen. Der Zugang dieser Gemeinschaften zur Beschäftigung und zu nicht segregierten Bildungsmöglichkeiten, Wohnungen und Gesundheitsdiensten ist für ihre gesellschaftliche Integration unerlässlich, heißt es im Bericht. Mitgliedstaaten und EU-Institutionen sind gemeinsam für die Integration der geschätzten 10 bis 12 Millionen Roma – das entspricht in etwa der Bevölkerungszahl Belgiens oder Griechenlands – verantwortlich. In einem getrennten Bericht wird bewertet, welche Fortschritte in den letzten zwei Jahren erzielt worden sind. Die Teilnehmer des zweiten europäischen Gipfeltreffens zur Lage der Roma, das am 8. und 9. April in Córdoba (Spanien) stattfindet, werden diese Berichte prüfen.

„Als eine auf hohen Werten gegründete Union müssen wir sicherstellen, dass die Grundrechte der Roma geachtet werden. Eine Diskriminierung dieser ethnischen Minderheit ist nicht hinnehmbar“, erklärte Viviane Reding, Kommissionsvizepräsidentin und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. „Wenn wir ihre Probleme angehen, kommt das auch unseren Gesellschaften und unseren Volkswirtschaften zugute. Nur durch beharrliches und koordiniertes Handeln können wir für die Roma in ganz Europa Entscheidendes erreichen.“

László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, unterstrich: „Die Bemühungen um Integration müssen sich auf das gesamte Leben der Roma beziehen, angefangen vom Kindergarten für die Kleinsten bis hin zur Regelschule für die Kinder, zu Arbeitsplätzen für die Erwachsenen und zur Pflege für die älteren Menschen. Die Roma-Gemeinschaften nehmen einen wichtigen Platz in unserem Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit ein.“ Er ergänzte: „Die Roma brauchen keinen eigenen Arbeitsmarkt, sie brauchen keine Schulen, die die Segregation von Roma-Kindern verlängern, und sie wollen keine renovierten Roma-Ghettos. Wir wollen erreichen, dass die Roma als gleichberechtigt akzeptiert, dass sie in die Gesellschaft integriert werden. Der Europäische Sozialfonds ist ein starker Hebel zur Realisierung dieses bereichsübergreifenden Konzepts.“

In ihrer gestern angenommenen Mitteilung legt die Kommission ein ehrgeiziges mittelfristiges Programm dar, mit dem sie die wichtigsten Probleme bei der Integration der Roma angehen will. Es umfasst unter anderem: die Mobilisierung der Strukturfonds einschließlich des Europäischen Sozialfonds – auf die zusammen fast die Hälfte des EU-Haushalts entfällt – zur Förderung der Integration der Roma; die Einbeziehung von Roma-Belangen in alle relevanten Politikbereiche auf nationaler und auf EU-Ebene, von der Beschäftigung bis zur Stadtentwicklung und vom Gesundheitswesen bis zur EU-Erweiterung; die Nutzung des Potenzials der Roma-Gemeinschaften zur Unterstützung des „integrativen Wachstums” als Teil der Strategie „Europa 2020“.

Auch wenn die Lage vieler europäischer Roma nach wie vor schwierig ist, konnten auf nationaler und auf EU-Ebene bereits wichtige Fortschritte erzielt werden. In den letzten beiden Jahren haben sich die EU und die Mitgliedstaaten darauf konzentriert, die Antidiskriminierungsgesetze und die EU-Mittel wirksamer zur Förderung der Integration der Roma einzusetzen. Dazu gehört zum einen die Bekämpfung von Diskriminierung, Segregation und rassistischer Gewalt, zum anderen die Unterstützung von Programmen zur Durchbrechung des Teufelskreises aus Armut, gesellschaftlicher Marginalisierung, geringer Schulbildung, armseligen Wohnverhältnissen und schlechter Gesundheit.

So hat die Kommission gegen 24 Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, um sicherzustellen, dass das EU-Verbot rassebedingter Diskriminierung ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wird. Zwölf dieser Fälle sind noch anhängig, zwölf wurden erfolgreich abgeschlossen. Um die Mitgliedstaaten zu ermutigen, die Strukturfonds effektiv zu nutzen, führt die Kommission zurzeit zwei Studien durch, mit denen erfolgreiche Projekte, Programme und Strategien zur Integration der Roma ermittelt werden sollen; dabei erfasst die eine die Strukturfonds insgesamt, die zweite die Roma-Förderung durch den Europäischen Sozialfonds.

Mitteilung und Fortschrittsbericht werden auf dem zweiten europäischen Roma-Gipfel erörtert, der zusammen mit der spanischen EU-Präsidentschaft organisiert wird. Zu dieser Veranstaltung kommen hochrangige Vertreter der EU-Institutionen, der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft zusammen, um sich über die Fortschritte seit dem ersten Gipfeltreffen im Jahr 2008 auszutauschen.

Hintergrund

Roma-Gemeinschaften sehen sich häufig mit wirtschaftlicher, sozialer und politischer Diskriminierung konfrontiert. Der Reichtum, den diese Gemeinschaften in die europäische Gesellschaft einbringen könnten, wird oft übersehen, der Blick darauf ist durch Stereotype und Vorurteile getrübt.

Aufgefordert von den Staats- und Regierungschefs der EU veröffentlichte die Kommission einen umfassenden Bericht über EU-Instrumente und -Strategien zur Integration der Roma und die erzielten Fortschritte. Dieser Bericht wurde auf dem ersten europäischen Gipfeltreffen der Roma im September 2008 vorgelegt. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigten im Dezember 2008 den Willen ihrer Regierungen, die verfügbaren Instrumente zur Förderung der Integration der Roma zu nutzen.

2009 schuf die Kommission eine Europäische Plattform für die Einbeziehung der Roma, die Experten und Entscheidungsträger zusammenbringt. Sie entwickelte 10 gemeinsame Grundprinzipien für die Einbeziehung der Roma, die den Entscheidungsträgern als Leitfaden bei der Gestaltung und Durchführung wirksamer Aktionen dienen können.

Die EU verfügt über einen soliden, umfassenden Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung. Die europäischen Strukturfonds werden herangezogen und das Problem der Diskriminierung der Roma ist Gegenstand von Sensibilisierungskampagnen. Außerdem wird eine Reihe zentraler Politikbereiche, die für die Integration der Roma besonders relevant sind, entsprechend koordiniert, etwa die Bereiche Bildung, Beschäftigung und soziale Eingliederung

8. April 2010 Die Schauspielerin und Regisseurin Fanny Ardant unterstützt die Roma-Kampagne Dosta!

Wir können unsere Augen nicht vor dieser Wahrheit verschließen
Wir sollten ehrlich genug sein, unsere Vorurteile einzugestehen und zu überwinden -

Strasbourg – „Ich bin stolz, dass die international anerkannte Schauspielerin und Regisseurin Fanny Ardant, die seit 1976 in über 50 Spielfilmen zu sehen war und mit einem César als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde, sich bereit erklärt hat, die Kampagne Dosta! des Europarates zu unterstützen, die Vorurteile und Klischees in Bezug auf Roma überwinden helfen soll“, erklärte Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, anlässlich des Internationalen Tags der Roma am 8. April.

Fanny Ardant dreht derzeit in Italien einen sechsminütigen Film, in dem Intoleranz gegenüber Roma-Kindern und ihr Ausschluss vom Schulunterricht angeprangert werden. Ihr Engagement ist sehr wichtig für die Kampagne, die am Internationalen Tag der Roma in Bulgarien gestartet wird. Auch in Italien, Rumänien, Slowenien, der „ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ und in Straßburg, dem Sitz des Europarates, werden an diesem Tag Veranstaltungen stattfinden.

„Die Kampagne Dosta! hat das Ziel, die Situation der Roma in Europa zu verbessern“, sagte der Generalsekretär. Er äußerte sich ebenfalls besorgt über den wachsenden Rassismus gegenüber den ca. 12 Millionen in Europa lebenden Roma, von dem Anfang des Monats in den Medien berichtet wurde. Jagland betonte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit von Roma eingereichten Beschwerden in vielen der 47 Mitgliedsstaaten Verstöße gegen Artikel 14 (Verbot von Diskriminierung) festgestellt hat. Zu diesen Urteilen steht ein Factsheet zur Verfügung.

„Ich bin sehr betroffen von den alarmierenden Appellen der Roma-Organisationen in Europa, die eine schnelle Antwort fordern, sowohl auf die anhaltende Diskriminierung der Roma in Europa als auch auf das Scheitern vieler nationaler politischer Maßnahmen zugunsten der Roma“, erklärte er. „Wir können unsere Augen nicht vor dieser Wahrheit verschließen. Die Regierungen und die internationalen Organisationen haben zwar mächtige politische und rechtliche Instrumente geschaffen, doch die Menschenrechte der Roma werden nach wie vor missachtet.“

Dosta!, das auf Romani „Genug!“ bedeutet, ist eine Sensibilisierungskampagne, die Roma und Nicht-Roma einander näherbringen soll. „Wir alle tragen die moralische und politische Verantwortung dafür, dass die Roma in Europa nicht mehr diskriminiert werden“, erklärte der Generalsekretär. „Wir sollten ehrlich genug sein, unsere Vorurteile einzugestehen und zu überwinden. Das ist die Botschaft unserer Kampagne Dosta!: ‚Vorurteile überwinden, Roma kennen lernen!’“

Der Europarat veröffentlichte einen Bericht zu bewährten Methoden, die in verschiedenen Mitgliedsstaaten beim Zugang der Roma und Fahrenden zu Arbeit Erfolge zeigten. Ausgaben dieses Berichts werden in Kürze auf Anfrage erhältlich sein. Darüber hinaus drehte die audiovisuelle Abteilung des Europarates Videos, unter anderem einen Kurzfilm über die Roma, der auf Anfrage in verschiedenen Formaten gesendet werden kann.

Dokument aus: DER STANDARD, Printausgabe, 10./11. April 2010)

Roma in Osteuropa
"Brandgefährliche Situation"

In Osteuropa leben viele Roma von der Hand in den Mund - Ihre Armut wird ihnen vielfach zum Vorwurf gemacht, Zuspitzung droht

Was sich in seinem Leben am dringendsten ändern müsste, wollen die Journalisten von Gustav wissen. Der 37-jährige slowakische Roma antwortet nicht. Ratlos steht er in seiner niedrigen Hütte, vor der schmutzigrosa Wand, an der auf Haken Kleidungsstücke zum Trocknen hängen. Steht da neben seiner Frau Eva (36) und den acht Kindern, die sich an diesem kalten Tag in dem 20-Quadratmeter-Raum mit drei Betten, einem mit Vorhängeschloss versperrten Kasten, einem Holzherd, einem großen Suppentopf - und sonst nichts - zusammendrängen.

Wie soll er auch sagen können, wo er mit dem Ändern anfangen müsste, was die allerwichtigste Verbesserung wäre für seine zehnköpfige Großfamilie, die im EU-Staat Slowakei mit den im EU-Durchschnitt liegenden Lebensmittelpreisen von insgesamt umgerechnet 250 Euro Sozialhilfen im Monat über die Runden kommen muss? Deren Tage sich in Warten, Essenbeschaffung und halblegalem Holzholen in den ehemaligen Militärwäldern der Umgebung erschöpfen - eingebunden in Dorfgemeinschaft und Clanbeziehungen, aber ohne jede Perspektive.

Gustav hat keine Chance auf Arbeit. Für einen Roma in der Slowakei ist es noch schwerer als für andere Slowaken, einen Job zu finden. Erst recht im Umkreis des Ortes Lomnièka: einem ehemaligen Schwabendorf, das jetzt zu hundert Prozent von Roma bewohnt wird und das malerisch am Fuß der Hohen Tatra liegt. "Vielleicht wäre eine bessere Wohnung ein Anfang?", schlägt Ordensschwester Terésia Mária Krausova dem schweigenden Gustav vor. Der nickt.

"Man muss die Arbeitsfrage lösen. Anders wird sich für die Roma in Ost- und Mitteleuropa gar nichts verbessern", meint hingegen Felicitas Filip von der österreichischen Caritas. Die Sozialarbeiterin gilt als Romaexpertin. Ihr Verständnis und ihre Zuneigung für die Angehörigen des romantisierten und gleichzeitig verachteten Volkes, das in Europa seit Jahrhunderten einen Außenseiterstatus innehat, rührt von jahrzehntelangen persönlichen Kontakten her. Von Knochenarbeit an der Basis, in Tschechien, der Slowakei, Rumänien, wo in den Jahrzehnten seit dem Ende der Realsozialismus versucht wird, den Roma Hilfe zur Selbsthilfe zu geben - im kirchlichen Rahmen, aber oft mit sozialpolitischem Anspruch.

Im 2200-Einwohner-Ort Lomnièka etwa ergänzt das Wirken von vier Ordensschwestern und einem Pfarrer die Arbeit der staatlichen Schule. Die Kirchenvertreter sind derzeit die einzigen "Weißen", die sich rund um die Uhr in dem Dorf mit seinen überfüllten, abgewohnten Häusern, den Hütten und Bretterverschlägen befinden. Lehrer und Lehrerinnen fahren nachmittags in die umliegenden Orte nach Hause, weg aus dem Dorf mit seinem für Europa sehr untypischem Durchschnittsalter von nur 18 Jahren. Einem Dorf, wo sich das Leben vielfach auf der Straße abspielt - untermalt durch aufmunternde Klänge von Gitarrenspielern in der Sonne, aber auch mitbestimmt von Wucherern in dicken Autos, die Schuldner bei der Auszahlung der Sozialhilfe am Gemeindeamt abpassen.

Ohne die staatliche Schule mit ihren sehr engagierten Lehrern bestünde in Lomnièka überhaupt keine Aussicht auf eine bessere Zukunft, meint Filip. Bildung sei die Grundvoraussetzung, um den Roma in der Slowakei und in ganz Osteuropa eine Chance auf Arbeit und damit auf gesellschaftliche Integration zu eröffnen. Dabei müsse man "nicht in Jahren, sondern in ganzen Generationen denken", sagt sie an die Adresse der Verantwortlichen in der EU, die die Romaprobleme mit viel Geld und einiger Ungeduld lösen wollen, gerichtet - allein für die Slowakei von 2011 bis 2013 zum Beispiel mit 250 Millionen Euro aus dem Strukturfonds.

Denn auch die Probleme seien nicht von heute, sondern hätten sich nunmehr eineinhalb Generationen lang zugespitzt, betont Filip. Konkret seit Ende des Kommunismus, unter dessen Regentschaft die Roma vielfach die schmutzigsten und gefährlichsten Industriejobs leisteten: ein 1989 unterbrochener Prozess der Proletarisierung.

Danach habe ein kontinuierlicher Abstieg stattgefunden. Die Angehörigen der größten ethnischen Minderheit Osteuropas seien an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden und in zunehmende Abhängigkeit von staatlichen Unterstützungssystemen geraten. Das wird ihnen nunmehr angekreidet. Im slowakischen Schulsystem etwa, weil die marginalisierten Romakinder einen Großteil der Extraunterstützungen bekommen, die prinzipiell allen Bedürftigen zustehen.

An der EU-Spitze wurde jetzt erkannt, dass die unionsweit rund zwölf Millionen Roma als Sündenböcke für die Symptome zunehmender materieller Ungleichheit und nationaler Desorientierung herhalten müssen: "Das ist inakzeptabel", sagte Justizkommissarin Viviane Reding vergangenen Donnerstag beim zweiten europäischen Romagipfel im spanischen Córdoba. Die Vorurteile gegen die Minderheit seien in vielen Ländern tief verwurzelt, heißt es auch in einem neuen Bericht des Europarats: alles in allem eine laut Filip „brandgefährliche Situation. Die osteuropäischen Roma hätten Grund genug, um zum Marsch auf Brüssel zu blasen."

Mittelfristig jedoch könnten nur neue Berufsidentitäten und gesellschaftliche Rollen helfen. Und Jobs, wie gesagt. Einigermaßen sichere Arbeitsplätze, wie sie Szabolcs und Margareta Szekely aus dem Romadorf des rumänischen Orts Ardud gefunden haben. Zwei Kinder - eine zwölfjährige Tochter und einen einjährigen Sohn - haben die Eheleute, die beim Mercedeszuliefererbetrieb Dräxlmaier in der ungarischen Grenzstadt Satu Mare um umgerechnet 300 Euro Monatslohn pro Person Kabel anfertigen.

Couch und Tischchen mit Häkeldecke, frisch nach Möbelhaus wirkende Kleiderkästen, Farbfernseher und DVD-Gerät nehmen den Wohnraum der Familie ein, den man direkt vom Hof aus betritt. Auf dem Esstisch dampft Suppe in Tellern, doch Margareta und Szabolcs wenden sich freundlich den Besuchern mit ihren Fotoapparaten und Notizblöcken zu. Derzeit sei sie mit ihrem zweiten Kind in Karenz, sagt die 32-Jährige; der Kleine spielt derweil auf ihrem Schoß.

Weiteren Nachwuchs planten sie und ihr 38-jähriger Mann nicht: "Zwei Kinder sind genug."
Anna, die Ältere, ist nicht daheim. In den Ferien besuche sie von sieben Uhr früh bis fünf Uhr nachmittags „mit Begeisterung" das von der Caritas Satu Mare geleitete Sozialzentrum Integretto: einer am anderen Ende des Ortes Ardud befindlichen Einrichtung, der auch die Eltern die Basis ihres bescheidenen Wohlstands verdanken, wie beide betonen.

"Wir waren vom Kindergarten an dort, Anna auch", sagt Margareta, die sechs Schulklassen abgeschlossen hat. Szabolcs hat sogar zwölf Jahre absolviert - und Tünde Löchli, Caritaschefin von Satu Mare, ist stolz auf mehrere aus Romafamilien stammende ehemalige Integrettobesucher, die inzwischen Universitätsabschlüsse in Psychologie oder an der Musikhochschule haben.

Nur schmal jedoch ist der Grat, auf dem die dem Elend entkommenen Roma von Ardud balancieren. Schmal wie die Holzbretter, die bei Regen als Gehsteigersatz in die Schlammlandschaft zwischen den laubenähnlichen Häusern gelegt werden. Die Straßen in dem rumänischen Romadorf sind nicht asphaltiert: Die Arduder Gemeindeverantwortlichen haben sich dazu bisher nicht bereiterklärt.

In der zentralrumänischen Stadt Miercurea Ciuc wiederum hat die Stadtverwaltung an die hundert Roma aus den seit 40 Jahren von ihnen bewohnten Häusern in Container am Rand eines kontaminierten Industriegebiets zwangsabgesiedelt: für Amnesty International Anlass für Protest wegen Verletzung der Menschenrechte. Der diesbezügliche Bericht wurde vergangene Woche vorgestellt.

Brutal sind auch die Konsequenzen versäumter Schulausbildung oder längerfristigem Jobverlusts für Osteuropas Roma: Die gesellschaftliche Ächtung beschleunigt den Absturz. Melinda Horvath (23) aus Ardud etwa ist mit drei Kindern ganz auf soziale Unterstützung und milde Gaben angewiesen; zwei Kinder wurden vom Jugendamt bei Pflegefamilien untergebracht. Ihr Mann schlägt sich als Tagelöhner durch, erzählt die junge Frau im einzig bewohnbaren Raum ihres Hauses, dessen Dach weithin sichtbar eingeknickt ist. Und für sie selbst? "Was soll ich denn machen? Ich bin Analphabetin. Meine Familie hat mich niemals zur Schule gehen lassen", sagt sie. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11. April 2010)

Presseerklärung:

- Die Eröffnung der Ausstellung „Frankfurt Auschwitz“ im Foyer des DGB
ist mit Interesse zur Kenntnis genommen worden
- Verschwundene Mahntafel am ehemaligen Stadtgesundheitsamt wieder aufgetaucht (20.5.2010)

Am 17.5.2010 wurde im Foyer des DGB, Wilhelm-Leuschner-Straße 69-77, Frankfurt am Main, die Ausstellung „Frankfurt Auschwitz“ des Förderverein Roma eröffnet. Sie wurde mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.
DGB-Referatsleiter Horst Koch-Panzner wies auf die aus der Verfolgung und Vernichtung der Roma und Sinti im Nationalsozialismus resultierende Verantwortung hin und erinnerte an die fortdauernde Diskriminierung.
Die Wirkungsgeschichte der NS-Zeit bis in die Gegenwart und die besondere Rolle der Stadt Frankfurt vor und während des Nationalsozialismus bezüglich der Erfassung, Internierung und Ausgrenzung von Roma und Sinti war Gegenstand der Ausführungen von Joachim Brenner, dem Geschäftsleiter des Förderverein Roma.
Bernd Rausch, der den künstlerischen Teil der Ausstellung verantwortet, dokumentierte in einer beeindruckenden Rede den Zivilisationsbruch durch Auschwitz. Allein die radikale Auseinandersetzung mit dem Menschheitsverbrechen an Juden, Roma und Sinti trägt, so Rausch, die Möglichkeit in sich, dafür Sorge zu tragen, dass Auschwitz sich nicht wiederholt.

Die Ausstellung „Frankfurt Auschwitz“ ist – außer an Sonn- und Feiertagen - bis zum 11.6.2010 von 10.00 bis 18.00 Uhr zu sehen.
- Am 27.5.2010 findet um 19.00 Uhr in Raum 3 ein Gespräch mit Frau Strauss, Frau Rose und Herrn Winter statt, Angehörige von Auschwitz-Überlebenden.
- Am 1.6.2010 wird ein Gespräch mit dem Saarbrücker Künstler und Ausstellungsmacher Bernd Rausch und Frau Marlies Hellmann von der Frankfurter Kunstgesellschaft um 18.00 Uhr im Foyer und Raum 3 angeboten.

Kontakt: Joachim Brenner, Förderverein Roma, 069/440123
Horst Koch-Panzner, DGB, 069/27300574


Verschwundene Mahntafel wieder aufgetaucht

Die vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem neuen Eigner des Gebäudes, in dem das Stadtgesundheitsamt Ffm. ehemals untergebracht war, als gestohlen gemeldete Mahntafel ist wieder aufgetaucht. Das Amt für Kultur bestätigte, dass die Tafel in Verwahrung genommen wurde und sie derzeit von einem Fachbetrieb gesäubert wird. Brenner verdeutlichte, dass die Mahntafel, die die Geschichte von Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus sowie die Ausgrenzung nach 1945 dokumentiert, auch nach der Renovierung des Gebäudes in der Braubachstraße wieder an historischem Ort angebracht werden muss; so wie es mit dem Amt für Kultur und dem Börsenverein vereinbart wurde. Bis Ende der Umbauarbeiten findet sie Platz im Schaufenster der Geschäftsstelle des Förderverein Roma in der Stoltzestraße 17.

 

Ausstellung Frankfurt Auschwitz - Eröffnung am 8.11.2011 in Heidelberg

 

27.10.2011 Hass gegen Roma - Schulterschluss zwischen Bevölkerung und extremer Rechter in Tschechien

Seit August dieses Jahres beteiligen sich im Norden Tschechiens Tausende Bürgerinnen und Bürger an Aktionen gegen die dort ansässigen Roma. Tschechische Neonazis versuchen, von der antiziganistischen Stimmung zu profitieren und melden nun auch außerhalb Nordböhmens Kundgebungen an, um Massenaktionen gegen Roma zu provozieren. Bereits im Jahr 2008 kam es zu massiven Übergriffen auf Roma. Antiziganismus verfügt in Tschechien über eine hohe Anschlussfähigkeit.

In einer soziologischen Studie des "Centrum pro výzkum verejného mínení" (Zentrum zur Erforschung der öffentlichen Meinung, CVVM) in Tschechien antworteten im Jahr 2009 77 Prozent der Befragten, dass ihnen Roma "unsympathisch" seien; auf einer Beliebtheitsskala von eins (sehr sympathisch) bis sieben (sehr unsympathisch) erhielten Roma mit 5,7 den mit Abstand schlechtesten Wert aller ethnischen Minderheiten.

Die etwa 200.000 Roma, ungefähr drei Prozent der Gesamtbevölkerung, leben in Tschechien überwiegend ghettoisiert. Mehrere hundert von ihnen wohnen in den Kleinstädten des tschechisch-deutschen Grenzgebietes, dem sogenannten Schluckenauer Zipfel. In dieser Region mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittlichen Löhnen sind Roma in den letzten Wochen verstärkt zum Sündenbock für eine allgemeine Unzufriedenheit geworden.
Pogromstimmung in Nordböhmen

Mit dem als Facebook-Gruppe organisierten "Bürgerlichen Widerstand" um Josef Masín in Rumburk und dem als Trickbetrüger ziemlich populär gewordenen Lukás Kohout in Varnsdorf fanden sich zwei Organisatoren, die bei einem guten Dutzend teilweise unangemeldeter Aufmärsche Tausende Bürgerinnen und Bürger "gegen den schwarzen Rassismus" auf die Straße bringen konnten. Ausdrücklich waren in einem der ersten Aufrufe (Titel: "Der Topf läuft über") in Varnsdorf auch die "Vietnamesischen Bürger" zu den Aktionen gegen Roma eingeladen worden.

Zu den "Argumenten" für die Teilnahme an den aktuellen rassistischen Umtrieben gehören Gerüchte über angeblich "rassistisch" motivierte Übergriffe von "schwarzen" auf "weiße" Tschechinnen und Tschechen. Ebenso ist die kontrafaktische Behauptung beliebt, die Neuansiedlung von Roma im vergangenen Jahr habe die Kriminalitätsrate in der deutsch-tschechischen Grenzregion deutlich gesteigert.

Am 10. September sorgte in Varnsdorf schließlich eine bruchlose Allianz aus bürgerlichem Mob, sogenannten Autonomen Nationalisten und anderen VertreterInnen der extremen Rechten für eine Dynamik, die eine ernste pogromartige Situation schaffte: Tausende BürgerInnen skandierten "Cechy cechum" ("Tschechien den Tschechen") und "Cikáni do plynu" ("Zigeuner ins Gas"). Lautstark feuerten sie zudem aus dem ganzen Land angereiste Neonazis und Hooligans an, als diese mit massiver Gewalt die zum Schutz der Roma aufgezogenen Polizeiketten zu durchbrechen versuchten.

Antiziganistische Ausschreitungen und Übergriffe sind in der Region Ústí jedoch nichts Neues. In Litvínov waren im Herbst 2008 mehrfach die "Ochrané sbory" (Schutzkorps) aufmarschiert, ein militanter Arm der extrem rechten "Delnická strana" (Arbeiterpartei, DS). Am 17. November 2008 zogen dann Neonazis in das Romaviertel im Litvínover Stadtteil Janov und lieferten sich stundenlange Straßenschlachten mit der zum Schutz der Roma aufgezogenen Polizei. Damals hatten Bürgerinnen und Bürger den Nazis begeistert applaudiert. Den offensichtlichen Schulterschluss zwischen Bevölkerung und extremer Rechter bezeichnete das tschechische Innenministerium anschließend als "das größte Sicherheitsrisiko". In Mobilisierungsvideos und mit T-Shirt-Aufdrucken kokettieren die tschechischen Neonazis seither gerne mit der Chiffre "Litvínov".

Der rechte Terror blieb jedoch nicht auf Nordböhmen beschränkt: Kein halbes Jahr nach der Straßenschlacht in Litvínov-Janov griffen am 18. April 2009 Neonazis im mährischen Vítkov mit Molotowcocktails das Haus einer Romafamilie an, wobei ein zweijähriges Mädchen schwerste Verbrennungen erlitt.
Mit Antiziganismus auf dem Weg zum Erfolg

Politisch organisierten sich Neonazis in der Tschechischen Republik damals vor allem im "Národní odpor" (Nationaler Widerstand, NO) und bei den "Autonomní nacionalisté" (Autonome Nationalisten, AN). Der "Odpor" ging um den Jahreswechsel 1998/1999 in Anlehnung an die sogenannten Freien Kameradschaften in Deutschland aus der Prager Blood'amp;Honour-Sektion hervor. Die tschechischen AN formierten sich ab 2004 ebenfalls nach deutschem Vorbild und bilden seither eine Plattform für die Zusammenarbeit von jungen Neonazis und Ultranationalisten.

Die von Tomás Vandas angeführte "Delnická strana" war vor 2008 weitgehend unbedeutend. Danach gewann die DS durch Zusammenarbeit mit Neonazigruppierungen, durch Beitritte von Mitgliedern nationaler Kameradschaften, durch den gemeinsamen Übergriff auf Janov und durch engere Kontakte nach Deutschland an Bekanntheit und Bedeutung. So übernahm die neonazistische Partei den jährlichen Aufmarsch zum 1. Mai von den "Freien Kräften". Nach dem Verbot der DS im Jahr 2010 setzte die Nachfolgepartei "Delnická strana sociální spravedlnosti" (Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit, DSSS) mit demselben Parteivorsitzenden die Arbeit fort.

Das eindeutig neonazistische Auftreten der DSSS, zum Beispiel bei Aufmärschen für verstorbene oder inhaftierte Kameraden, widerspricht der Selbstdarstellung als "patriotische, traditionalistische" und "euroskeptische" Partei. Im Aufruf zu einem Aufmarsch am 1. Mai 2011 in Brno wurden "Globalisierung" und "Europäisierung" als gegen das "Volk" gerichtete Feindbilder benannt. Darüber hinaus wird ein völkischer Nationalismus mit einer verschwörungstheoretisch fundierten "Kapitalismuskritik" verwoben.

Die von der DSSS vertretenen Positionen und Aktionen sind vor allem dann an gesellschaftliche Diskurse in Tschechien anschlussfähig, wenn es um Romafeindlichkeit geht. So konnte Vandas nach den neonazistischen Ausschreitungen von Litvínov behaupten, seine Partei sei von besorgten Bürgern zur Hilfe gerufen worden, um sich gegen die Roma zu wehren. Derzeit meldet die DSSS beinahe monatlich Aufmärsche an, häufig führen diese provozierend durch Romasiedlungen. Im April 2011 organisierte sie zum Beispiel einen antiziganistischen Marsch gegen "schwarzen Terror" und "schwarzen Rassismus" durch das ebenfalls in der Region Ústí gelegene Städtchen Krupka. Im Jahr zuvor war hier ein Junge bei einer Schlägerei durch einen Roma verletzt worden. Die DSSS konnte so vor den anstehenden Kommunalwahlen auf sich aufmerksam machen und erreichte prompt sieben Prozent der abgegebenen Stimmen. Weil die Wahl aus formalen Gründen wiederholt werden musste, trat die DSSS am 10. September erneut mit einem antiziganistischen Aufmarsch in Krupka auf. Am nächsten Tag steigerte sich die DSSS auf knapp zehn Prozent der Stimmen und erhielt zwei Sitze im Stadtparlament. Ein deutlicher Erfolg für die Partei, die bisher keinerlei Mandate erringen konnte.

Auch deutsche Neonazis beginnen sich für die antziganistischen Aktionen ihrer tschechischen Kameraden zu interessieren. So greift der Nürnberger Nazi-Kader Norman Kempken vom "Freien Netz Süd" das Thema in der Oktober-Ausgabe der NPD-Zeitung Deutsche Stimme auf: Kempken freut sich über die "Demonstrationen, an denen sich beispielhaft massenweise Normalbürger beteiligen, um ihren Unmut über dieses Negativthema lautstark zu äußern" und beklagt im Gegenzug: "In Deutschland sind wir von dieser Art des völkischen Widerstandes leider noch weit entfernt."

In Tschechien versucht die extreme Rechte derweil eine Ausdehnung der antiziganistischen "Proteste" über Nordböhmen hinaus. Am 24. September 2011 meldeten Neonazis sechs Aktionen im ganzen Land an, zu denen DSSS und Autonome Nationalisten trotz unterschiedlicher Themen mit einem gemeinsamen Aufruf mobilisierten. Beim nationalistischen "Wenzelstag" in der nahe Prag gelegenen Stadt Kladno blieben die veranstaltenden Autonomen Nationalisten weitgehend unter sich. Zu einer Kundgebung der DSSS im mährisch-schlesischen Havírov konnten unter einem antiziganistischen Motto gegen "nicht anpassungsfähige Gauner", die es nicht nur in Nordböhmen gebe, jedoch 500 BürgerInnen mobilisiert werden.

Im "Schluckenauer Zipfel" gibt es dagegen Anzeichen dafür, dass der Schwung der regelmäßigen Aufläufe erlahmen könnte. Kamen beispielsweise an den lauen Sommerabenden im September in Rumburk bis zu 2.000 BürgerInnen zusammen, fanden sich zuletzt nur noch ca. 50 TeilnehmerInnen zu antiziganistischen Aktionen ein. Auch ein von Lukás Kohout in Prag organisierter Protestzug ("Wir haben Varnsdorf überlebt, wir werden alles überleben") blieb mit 50 mitgereisten VarnsdorferInnen übersichtlich.
Ausdehnung der antiziganistischen Aktionen

Gegen die Aufmärsche in Nový Bydzov, Krupka und Prerov in der ersten Hälfte dieses Jahres organisierten zivilgesellschaftliche Gruppen Gegenaktionen und Blockadeversuche. In Prerov waren Vertreterinnen und Vertreter der Menschenrechtsorganisation "Clovek v tísni" (Menschen in Not) zum Schutz der Roma angereist und hatten zudem in einem Hinterhof eine Gegenveranstaltung mit Musik organisiert. Beim Neonaziaufmarsch am 1. Mai 2011 in Brno war es dem breit getragenen Bündnis "Brno blockiert" gelungen, den Zugang zum Romaviertel so zu versperren, so dass die Neonazis umgeleitet werden mussten. Gegen die antiziganistischen Aktionen im Dreiländereck Tschechien-Polen-Deutschland gab es dagegen nur mit Verspätung kleinere Gegenproteste von zivilgesellschaftlichen oder antifaschistischen Gruppen. Die Initiative "Nenávist není resení" (Hass ist keine Lösung) verband dabei antifaschistischen Protest mit Solidaritätsaktionen für die bedrohten Roma.

Selbst bei einem Abschwung der antiziganistischen Aktionen wäre das Problem Antiziganismus politisch in keiner Weise gelöst. Nicht einmal nach der Straßenschlacht in Janov wurden staatliche Programme gegen das weitverbreitete Ressentiment aufgelegt. Auch die ghettoisierte Ansiedlung von Roma wurde nicht überdacht. Stattdessen wurden die überfüllten Unterkünfte geräumt und slowakische Roma in die Slowakei abgeschoben.

Das wird sich unter der Regierung von Ministerpräsident Petr Necas wohl kaum ändern. Die Koalition zwischen der "Obcanská demokratická strana" (Demokratische Bürgerpartei, ODS) und den Parteien "Tradice, odpovednost, prosperita" (Tradition, Verantwortung, Wohlstand, TOP 09) und "Veci verejné" (Öffentliche Angelegenheiten, VV) steht für eine konservative bis rechtspopulistische Ausrichtung. Der Bildungsminister Josef Dobes beispielsweise ernannte Ladislav Bátora zu seinem Personalchef. Bátora gilt als homophob und antisemitisch. Er war zudem führender Aktivist und Parlamentskandidat der extrem rechten "Národní strana" (Nationalpartei). Diese forderte in einem Fernsehspot im Wahlkampf zur Europawahl 2009 die "Endlösung der Zigeunerfrage".

Lara Schultz und Robert Andreasch

Dokument aus ak - analyse & kritik - Nr. 565 / 21.10.2011

Gemeinsam gegen Romadiskriminierung und Verfolgung in Europa!

27.10.2011

von Roma Center Göttingen e.V

Rumänien, Moldawien, Deutschland, Serbien, Ukraine, Spanien ... eine Stimme!
Gemeinsam gegen Romadiskriminierung und Verfolgung in Europa!

Am 28.10.2011. ab 12:00 Uhr in Hannover,
Ernst-August-Platz (vor dem Hauptbahnhof / Anfang Bahnhofstraße)

Momentan sind Jugendliche aus sechs verschiedenen Ländern in Hannover Gäste des Roma Center Göttingen e.V. um mit uns gemeinsam die Verfolgung und Diskriminierung von Roma zu untersuchen.

Hierbei soll es vor allem um den Genozid an den Roma durch die Nationalsozialisten in Europa gehen, aber auch um die jüngere Geschichte, wie die Vertreibung er Roma aus dem Kosovo und ganz aktuelle Entwicklungen, wie dem Aufstieg der Jobbik Partei in Ungarn und der Attacken von Schlägertrupps auf Roma in Bulgarien und Tschechien.

Wann sind Menschen anfällig für Hetze und was können wir tun um dagegen anzugehen? Was sind die Ursachen einer gewalttätigen Eskalation von Romafeindlichkeit und wie gefährlich ist die Lage in verschiedenen Ländern? Was können wir tun um bestehende Vorurteile abzubauen und was macht überhaupt einen Menschen zum Roma oder nicht? Diesen Fragen wollen wir Nachgehen.

Zu dem Programm gehört auch ein Besuch der Gedenkstätte Bergen Belsen und ein Gespräch mit dem Auschwitz Überlebenden und Sinto Franz Rosenbach aus Nürnberg. Am Freitag, den 28.10.2011 wollen wir uns außerdem an die Öffentlichkeit wenden mit einem Aktionstag in der Innenstadt von Hannover. Besucher können sich auf Beiträge mit Tanz und Theater aus verschiedenen Ländern freuen.

Das jetzige internationale Treffen in Hannover ist das erste von drei geplanten Treffen unter dem Motto Vergangenheit verstehen – Zukunft gestalte. Im nächsten Jahr sollen noch zwei weitere Begegnungen in der Ukraine und in Polen stattfinden. Das Projekt „Vergangenheit verstehen – Zukunft gestalten“ wird gefördert im Programm EUROPEANS FOR PEACE der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und wird unterstützt von JUGEND IN AKTION.

http://www.roma-center.de


11.11.2011 Leverkusen, Festnahmen nach Brandanschlag - Bei den Ermittlungen zum Brandanschlag (25.7.2011) auf ein Mehrfamilienhaus in Leverkusen hat die Polizei zwei Tatverdächtige festgenommen. Die beiden 18 uns 22 Jahre alten Männer wurden am 11.11.2011 dem Haftrichter vorgeführt. Der 22-Jährige steht schon seit Anfang an im Visier der Ermittlungen. Zeugen hatten den Mann vor dem Brand mit einem Kanister am Tatort gesehen. Mittlerweile konnten ihm Spuren zugeordnet werden. Sein Alibi gilt seit Donnerstag als widerlegt. Als Ermittlungsstand gilt der Brandanschlag als Akt der Fremdenfeindlichkeit. In dem Mehrfamiliehaus lebte eine Sinti- und Roma-Familie. Der zur Tatzeit noch 17-Jährige gilt als dringend verdächtig, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Unklar ist noch, ob der nach Brandausbruch beobachtete VW Polo mit der Tat im Zusammenhang steht. Um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden, schweigen sich Staatsanwaltschaft und Polizei zu den Tatumständen, den Tatverdächtigen sowie zur Motivlage vorerst noch aus.

12.02.2012 Das große Versehen - Berlinale: Im Juni 1992 wurden in Vorpommern zwei Roma erschossen. Der Film »Revision« übernimmt die Rolle der Justiz

6.2.2012 Keine Abschiebungen von Roma nach Kosovo! alle bleiben!

von alle bleiben! Erst recht nicht im Winter!

Am 7.02.2012 soll wieder ein Sammel-Abschiebeflieger von Düsseldorf über Wien nach Priština starten, organisiert von FRONTEX. Betroffen sind auch Personen aus NRW, (Trotz Wintererlass) und auch mehrere Familien mit Kindern aus Niedersachsen. Kosovo möchte diese Menschen eigentlich gar nicht wieder aufnehmen und ist dazu auch nicht im Stande.

Nur wegen der Aussicht auf zukünftige Visaerleichterungen für Kosovo wird in die Aufnahme eingewilligt und was später aus den zwangsweise Abgeschobenen Menschen werden soll, in diesem problembelasteten Land, interessiert die kosovarischen Politiker nicht viel.

Kosovo ist zu dieser Jahreszeit bitterkalt und ohne eine Arbeit gibt es kein Geld für Miete, Strom und Feuerholz. Große Familien sind so oft gezwungen sich ein einziges Zimmer zu teilen ohne jede Privatsphäre für Eltern oder Kinder und stehen vor der Angst selbst diese Wohnung zu verlieren und dann quasi obdachlos zu sein. Diese Familien leben in selbstgebauten Baracken aus Decken, Sperrholz und Plastikplanen. Es ist drinnen kalt, zugig und feucht. Aber auch viele Häuser sind nur notdürftig repariert oder bewohnbar gemacht worden und werden mit Wolldecken und Planen isoliert. Fließendes Wasser im Haus gibt es in den seltensten Fällen. Einige haben nicht einmal ein Bad. Wer sich waschen will oder mal muss muss ins Freie, in die Kälte.

Am schlimmsten sind aber nicht diese Lebensbedingungen, die im Kosovo für die meisten Roma Realität sind, sondern die Perspektivlosigkeit und annähernde Unmöglichkeit sich aus dieser Situation zu befreien. Diskriminierung, Armut und Korruption führen bei den Abgeschobenen bald zur Verzweiflung und Resignation, was besonders für in Deutschland aufgewachsene Kinder und Jugendliche schwer zu ertragen ist.

Auch Hilfsprogramme zur Wiedereingliederung wie URA II ändern hier dran nichts, sondern verzögern höchstens das endgültige Resultat der Abschiebung.

Wir wehren uns dagegen, dass Deutschland nach Kosovo in derartige Verhältnisse abschiebt und verlangen von der deutschen Regierung ein Verantwortungsbewussten Umgang mit den hier lebenden Roma und anderen Flüchtlingen.

Düsseldorf Sammelabschiebung Kosovo am 07.02.2012 von Flughafen Düsseldorf

Ab 8.00 Uhr werden die Flüchtlinge zum Rollfeld Gate D(?) gebracht. Neben der Feuerwache des Flughafens (zwischen Terminal A und Tor 36) - gegenüber Parkhaus 7. Wie bei den letzten Sammelabschiebungen werden auch diesmal wieder MedienvertreterInnen und AktivistInnen vor Ort sein. Gegen den kapitalistischen und rassistischen Normalzustand! Um 10:00 Uhr wird es eine Demo im Terminal B, Abflughalle, Flughafen Düsseldorf geben.
http://links.causes.com/s/clANF4

Freiburg Demonstration - Wer bleiben will, soll bleiben! Gegen Überwachung und Abschiebung in den Kosovo!
Sa, 11. Februar 2012, Freiburg, 13.00 Uhr (Johanneskirche in Freiburg) Abschiebung in den Kosovo!? Dali Kapalden e Romen!?

Aktuelle Termine für Vorträge über die letzte Kosovoreise:

Leipzig 07.02.2012 - 20:00 Uhr Alle bleiben! Info-Veranstaltung zur Situation von Roma in Europa und Widerstandsstrategien gegen Abschiebungen
Freiburg 10.02. Abschiebung in den Kosovo !? Vortrag vom Roma Center Göttingen e.V.
Marburg Mi., 15.02.: Deutschland schaut weg und schiebt ab Vortrag vom Roma Center Göttingen e.V. im Rahmenprogramm der Ausstellung Invisible Borders
Hannover 26.02 Roma-Treffen 2012 in Hannover
Stuttgart 3. März 2012, 9.30 - 17 Uhr Plenum und Tagung Diskussion: Roma abschieben? Was kommt nach der Reise des Petitionsausschusses?
München Sonntag, den 29. 4., 18.00 Uhr, Münchner Kulturzentrum Gasteig Podiumsdiskussion zum Thema "Abschiebung von Roma in den Kosovo".

Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo in Deutschland!
Weitere Neuigkeiten und Termine gibt es auf unserer Facebookseite
http://links.causes.com/s/clANFX

Sammelabschiebungen trotz Winter in den Kosovo vom Düsseldorfer Flughafen

von Rom e.V. / Sozialberatungsstelle

Am Di, 7.2.2012 will die Frontex trotz eisiger Temperaturen und dutzenden von Kältetoten in Südosteuropa eine Sammelabschiebung vom Düsseldorfer Flughafen nach Pristina (Kosovo) durchführen. Aus NRW sollen insgesamt 10 Männer, darunter sechs Roma abgeschoben werden. Da NRW verschärfte Kriterien für Abschiebungen in den Kosovo erstellt hat, kommt der Großteil der ehemaligen Bürgerkriegsflüchtlinge jetzt zynischerweise aus anderen Bundesländern, darunter höchstwahrscheinlich auch Familien mit Kindern.

FlüchtlingsunterstützerInnen- und Menschenrechtsgruppen befürchten wegen des heftigen Winterausbruchs das Schlimmste für die Betroffenen. Große Sorge bereiten vor allem die miserablen Behausungen, in denen abgeschobene Roma-Familien leben müssen, aktuell bei Temperaturen von bis zu minus 25 Grad.

am Dienstag, 7.2.2012, ab 9:00 Uhr
am Düsseldorfer Flughafen, Gate F (Frachtterminal)
Dort werden die Flüchtlinge von den Bussen ins Flugzeug gebracht!

„Die Frontex und die Innenministerien nehmen das Risiko, dass Menschen bei dieser Kälte im Kosovo sterben, billigend in Kauf. Hierbei werden Mindeststandards der EU-Menschenrechtskonvention nicht mehr beachtet“, so Nicole Tauscher von STAY!, „Wir fordern die Verantwortlichen auf, diesen Flug sofort abzusagen.“

Wir appellieren an die rot-grüne Landesregierung, die Flughafenverwaltung und die zuständige Fluggesellschaft den Flug in den Kosovo aufgrund der extremen Witterung abzusagen!

Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für ehemalige Bürgerkriegsflüchtlinge!
Diese Familien haben ihr Zuhause in Deutschland!

www.romev.de
thevoiceforum.org/node/2422
http://www.roma-center.de/kosovo.htm

30.05.2012 »Düsteres Bild«

Hetze gegen Roma in Tschechien erreicht neue Dimension. Vereinte Nationen und EU: Ausgrenzung in ganz Europa

Von Tomasz Konicz

Vor wenigen Wochen schien es, als ob Tschechiens Faschisten endlich einen Märtyrer gefunden zu hätten. Mitte April wurde ein Schüler mit schweren inneren Verletzungen in ein Krankenhaus im Breclav eingeliefert. Der Fünfzehnjährige gab an, von einer Gruppe Roma brutal zusammengeschlagen worden zu sein, die von ihm Zigaretten erpressen wollten. Daraufhin erreichte die antiziganische Hysterie in Tschechien eine neue Dimension: Die Massenmedien griffen den Fall auf und überschlugen sich in wüster Hetze gegen die Roma, Nazigruppen mobilisierten landesweit zu einer Großdemonstration in Breclav, und der beliebte Schlagersänger Michal David organisierte sogar ein Benefizkonzert für den Schüler.

Der in Tschechien immer öfter in Erscheinung tretende Mob aus frustrierten Kleinbürgern und brutalen Stiefelfaschisten schien endlich seine Ressentiments zumindest an diesem einen Fall bestätigt zu sehen – bis die Polizei meldete, daß die Geschichte von der prügelnden Romabande erfunden war. Der Schüler hat sich beim Balancieren auf dem Treppengeländer eines Plattenbaus verletzt und die Geschichte von dem Roma-Überfall als Schutzbehauptung vor seiner strengen Mutter erfunden. Nun üben sich Tschechiens Medien, die ungeprüft die Behauptungen des verletzten Jugendlichen übernommen haben, zerknirscht in Selbstkritik. Der Schlagersänger Michal David fordert derweil »sein« Geld zurück.

Diese Episode illustriert vor allem das enorme Ausmaß der Marginalisierung, der sich die Roma Tschechiens ausgesetzt sehen. Die zunehmenden Spannungen zwischen Mehrheitsbevölkerung und der verelendeten Minderheit werden seit Monaten erfolgreich von der faschistischen Rechten instrumentalisiert, die mit Aufmärschen in den nordböhmischen Städten gegen angebliche Romaverbrechen protestiert. Die militanten Nazigruppen schrecken auch nicht vor Anschlägen zurück, bei denen es schon Schwerverletzte gegeben hat. Während die Nazis auf den Kundgebungen, die bei etlichen Gelegenheiten in offene Pogrome umzuschlagen drohten, ihren Haß offen ausleben, wird in den bürgerlichen Medien das Feindbild des schmarotzenden und arbeitsscheuen »Zigeuners« gepflegt. Den diskriminierten Roma, die sich mit einer sehr hohen Arbeitslosigkeit konfrontiert sehen, werden so die Folgen ihrer Diskriminierung zum Vorwurf gemacht.

Wie ein jüngst publizierter Bericht der Vereinten Nationen und der Europäischen Union belegt, verschlechtert sich die Lage der Roma aber nicht nur in Tschechien dramatisch, . In dem Report konstatiert die als Koautorin auftretende Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), daß die Roma einer fortgesetzten und rasch zunehmenden Marginalisierung in allen der elf in der Untersuchung berücksichtigten europäischen Staaten ausgesetzt sind. Neben gewalttätigen Übergriffen durch Rechtsextreme häuften sich auch staatlich koordinierte Gewaltakte, bei denen Roma aus ihren Häusern vertrieben und zur Umsiedlung gezwungen wurden. Insgesamt zeichneten die Resultate der breit angelegten Untersuchung, in deren Verlauf 22000 Haushalte befragt wurden, ein »düsteres Bild der Situation«, so die Autoren der FRA. Es gebe zudem keinen signifikanten Unterschied zwischen West- und Osteuropa, da die Roma in Frankreich, Italien und Spanien über ähnlich massive Benachteiligungen klagten wie in Tschechien, Ungarn oder der Slowakei.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Jahresbericht 2012 von Amnesty International, der in vielen mittelosteuropäischen Ländern darüber hinaus Tendenzen zu einer apartheidartigen Segregation entdeckt. Dabei werden die Roma aus den Stadtkernen in die Peripherie verdrängt, was die Ghettobildung befördert. In den rund zwei Dutzend Jahren seit dem Beginn der Systemtransformation sind inzwischen Hunderte solcher informellen Ghettos an den Rändern vieler osteuropäischer Städte entstanden, die teilweise mit eigens errichteten Mauern abgetrennt werden. Die Segregation ist auch im Bildungswesen nahezu abgeschlossen. In vielen Ländern Osteuropas werden Roma-Kinder entweder in eigens eingerichtete Romaklassen abgeschoben oder ohne individueller Leistungsprüfung pauschal in Sonderschulen verfrachtet. Mitunter würden hierbei Mauern durch Kindergärten gezogen. In der Slowakei seien überdies Fälle von Zwangssterilisation von Romafrauen bekanntgeworden, alarmierte ­Amnesty International.

aus: junge Welt